DER SOHNTAG

Margaretha Husek

by Margaretha Husek

Story

Wir ließen Kaltenleutgeben hinter uns und parkten etwas abseits der Straße in der Hoffnung Brennnessel zu finden. Am Wegrand fanden wir die ersten Gänseblümchen, Märzenbecher, Himmelschlüssel und Leberblümchen. Sie alle blühten schon in der letzten Märzdekade. Ich nahm mir von jeder Sorte drei davon mit für die Vase. Auf einer grünen Insel im noch braunen Wald kauerte ein junges Pärchen am Boden und pflückte Bärlauch. Die Eichenstämme faszinieren mich immer wieder. Bäume sind für uns lebensnotwendig. Ohne sie könnten wir nicht einmal atmen. Ein kleiner Hohlweg führte hinauf zu einer Futterwiese. Hier gab es keine Frühlingsblumen. Ein Zeichen von chemischer Düngung?

Auf einer Lichtung entdeckte mein Sohn einen keltischen Baumkreis. Wir waren neugierig. Die Bäume sind im Baumhoroskop organisiert. Jedem Baum wurde eine gute Eigenschaft zugeordnet, der Zeder beispielsweise die Zuversicht, der Ulme die gute Gesinnung. Mir gefiel die Trauerweide am besten, die etwas abseits stand. Die herabhängenden filigranen Äste mit dem zarten Grün schaukelten ganz sanft im Frühlingswind. Erschöpft ließen wir uns auf der einzigen Sitzgelegenheit nieder, die in der Mitte stand. Bei klarem Himmel zeigte die Sonne ihre volle Kraft. Schweigsam genossen wir die Wärme. Ich wunderte mich sehr, dass keine weggeschmissenen Zigarettenstummel um die Bank herum lagen. Hier wurde der Abfalleimer genutzt.

Kuckuck? Wir horchten auf. Die Vögel kehren als Folge des Klimawandels immer früher aus ihren afrikanischen Winterquartieren nach Europa zurück. Ein kalter Winter war das heuer in Wien sowieso nicht. Mein Sohn erzählte aus seiner hektischen Arbeitswelt. „Wie komme ich dazu, dass ich mein Fachwissen in Schulungen außerhalb meiner Dienstzeit erweitert habe und jetzt an ungelernte Kräfte weiter geben soll?“ Der Wechseldienst machte ihm zu schaffen und er hatte ein mulmiges Gefühl betreffend der KI-Anwendungen in Zukunft. Es herrsche in der Firma ein schlechtes Betriebsklima, der Chef war das Problem, klagte er. Ich konnte es nachempfinden. Einen solchen Vorgesetzten hatte ich auch. Ich kündigte, weil er mir drei Monate keinen Gehalt auszahlte. Die Firma ging schließlich in Konkurs. Mein Sohn fühlte sich in seinem Arbeitsumfeld nicht wohl und überlegte seine Arbeitszeit zu kürzen, eine Viertagewoche wünschte er sich.

Erst am Rückweg fand ich Brennnesseln auf den Boden gedrückt, kaum drei bis vier cm hoch, sie waren noch ganz zart. Ich pflückte nur die zarten Spitzen. Prophylaktisch helfen sie unter anderem gegen Gicht, Haarausfall und Cholesterin. Mein Sohn entdeckte wilden Schnittlauch und schnitt ein Bündel davon ab. Am Waldrand zupfte ich noch zarte, kleine Löwenzahnblätter. Heuer hatte es eindeutig zu wenig geregnet in dieser Gegend.

Ich freue mich immer, wenn ich meinen Sohn sehe und wir zusammen etwas unternehmen. Es tat uns beiden gut, gemeinsame Erinnerungen aufzufrischen.

Foto: Andreas Kristiner

© Margaretha Husek 2023-03-27

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