by Sabrina Bach
Als ich das erste Mal mit dem Tod konfrontiert wurde, war ich vier. Meine Mutter kam weinend in mein Zimmer und erzählte es mir, versuchte es zu erklären. Ich war schockiert, doch konnte ich ihre Emotionen nicht nachempfinden, denn für mich war Nadine nur die Frau mit der roten Schaukel im Wohnzimmer gewesen. Wir verbrachten zwar viel Zeit bei ihr und ich liebte die Wärme, die diese Frau ausstrahlte, doch ich kannte sie kaum. Für meine Mutter war Nadine alles – ihre älteste und beste Freundin.
Ich erinnere mich nicht an ihre Trauer, an den Kummer, der damit einherging. Sie legte meine Wäsche zusammen und verhielt sich normal. Niemand kommentierte es und jeder tat so als sei alles wie immer. Sie ließ es sich nicht anmerken und keiner behandelte sie anders, nahm auf sie Rücksicht oder nahm ihr etwas ab. Denn der Tod ist Teil vom Leben und irgendwann würde er uns alle holen – was war da schon ein Todesfall?
Besser verstand ich das alles, als mein Opa starb. Ich war nicht wirklich traurig, ich weinte nicht – in mir machte sich ein endloses Gefühl von Leere breit, als ich meinen Bruder ausrasten sah, vor Wut, dass er ihm genommen wurde. Die Tasten seiner Tastatur flogen durchs Zimmer und sein Kopf wurde rot aufgrund seines Schreikrampfs. Sah, wie meine Mutter zusammenbrach, wie meine Oma erkaltete.
Ich stand inmitten davon und fühlte nichts, als ich von der Klassenfahrt zurückkam und er nach all den Jahren an Krebs verstorben war, er seinen Kampf verloren hatte. Ich verstand aber, was dieser Verlust mit den Menschen machte. Ich sah es an der Art, wie meine Familie in das Wohnzimmer blickte, in dem er immer gesessen war.
Auf die Couch sahen, auf der er immer ferngesehen hatte. Oder auf seinen Schreibtisch, wo der Computer mittlerweile Staubspuren auf sich trug und niemand seine CD-Sammlung berührt hatte. Seinen Sessel am Esstisch freihielten, als würde er bald zum Abendessen dazustoßen. Aus Gewohnheit noch einen Teller nehmen wollten, ihn aber zitternd zurückstellten. Kurz ihren Mund öffneten, um ihn zu rufen, seine Antwort nahezu erwarteten, ihn aber noch rechtzeitig schlossen. Wie sie die Hoffnung verloren und begriffen, dass ihn nichts zurückholen würde.
© Sabrina Bach 2022-08-24