Der Verschwundene Brautschleier Teil 2

Johanna Korsmeier

by Johanna Korsmeier

Story

Vor der Kleideranprobe hatten die Freundinnen zusammen Tee getrunken und über die Hochzeitsvorbereitungen geplaudert. Alexander war ebenfalls anwesend gewesen. Punkt 15:30 Uhr war die Schneiderin eingetroffen. Während der Anprobe saß Louise mit dem Rücken zum Fenster. Elisabeth und Annemarie saßen seitlich zum Fenster und Theresia saß mit Blickrichtung zum Fenster. Die Schneiderin und Roxane standen während der Kleideranprobe in der Mitte des Raums. Roxane erinnerte sich nur an drei Gelegenheiten, in denen jemand den Raum verlassen hatte. Zuerst hatte Elisabeth das Zimmer verlassen um ein Nadelkissen zu hohlen. Dann waren Louise und Theresia gegangen, um für alle Getränke aus der Küche zu besorgen. Als Letztes hatten Elisabeth, Theresia und die Schneiderin zusammen mit Roxane den Raum verlassen, um einen großen Spiegel zurück in die Eingangshalle zu bringen. “Wo war da der Schleier?”, fragte Celine. “Mit dem Kleid in der Kiste”, antwortete Roxane sofort. “War die Kiste da schon verschlossen?” bohrte Celine nach. “Ich bin mir nicht sicher, ich denke schon” zögerte Roxane. “Weißt du noch, wer die Geschichte mit dem Schleier aufgebracht hat?”, fragte Celine weiter. “Das war Theresia”, sagte Roxane bestimmt. Celine seufzte: “Ich fürchte wir müssen die Kiste noch einmal ausräumen.” “Aber wir haben in der Kiste doch schon nachgesehen.” protestierte Roxane. Unbeirrt packte Celine das Kleid, die Schuhe und alles Andere auf Roxanes Bett. Dann kniete sie sich vor die Truhe und prüfte vorsichtig das dicke samtene Futter. Besonders intensiv tastete sie den Rand der Truhe und die Nähte in den vier Ecken der Kisten ab, bis sie einen losen Faden entdeckte. Ein leichter Zug an Diesem und eine schmale Lücke öffnete sich im Samt. Celines Wangen röteten sich leicht vor Aufregung. Roxane beobachtete gebannt wie ihre Freundin vorsichtig mit zwei Fingern in die Lücke griff und nach wenigen Sekunden ein Stück feine weiße Spitze zum Vorschein brachte. “Das ist mein Schleier, aber wie kommt der denn da hin?”, rief Roxane bestürzt. Celine ließ den seidenen Spitzenschleier gedankenverloren durch ihre Finger gleiten. Roxane packte sie unsanft an der Schulter und schüttelte sie: “Sag schon, was denkst du, wie ist der Schleier da hineingeraten?” Celine hatte ihre Freundin noch nie so aufgebracht erlebt. Roxane stieß ein unsicheres Lachen aus. Celine sprach langsam und bedacht: “Wahrscheinlich ist es ein Zufall. Eine dieser kleinen Ungereimtheiten im Alltag. Man verlegt etwas und dann taucht es irgendwo wieder auf, wo man gar nicht damit gerechnet hat.” Roxane lehnte sich zurück und musterte Celine scharf: “Und wenn es kein Zufall war?” In Roxanes Stimme schwang bei der Frage wieder die ihr eigene Entschlossenheit, für die Celine ihre Freundin sehr bewunderte. “Dann würde ich an deiner Stelle noch einmal mit Louise und Theresia sprechen”, antwortete Celine und reichte Roxane dabei den Schleier. An diesem Abend klingelte Celines Telefon. “Du musst sofort kommen. Sie haben gestanden. Theresia hat Alexander mit Elisabeth gesehen und Louise hat den Schleier verschwinden lassen.” Roxanes Stimme dröhnte durch das Telefon. “Ich bin unterwegs”, versicherte Celine mit einer Hand den Telefonhörer haltend mit der anderen nach ihrem Mantel angelnd. Bevor sie den Hörer zurück auf die Hörergabel fallen ließ rief Roxane noch “Kannst du mir noch einen Gefallen tun. Bring Schokolade mit.”

© Johanna Korsmeier 2025-03-26

Genres
Novels & Stories
Moods
Emotional, Unbeschwert