Die Challenge

Ulrike Nikolai

by Ulrike Nikolai

Story

Sommerferien. Was machen die Kids eigentlich heutzutage in dieser freien Zeit? – Skurriles – finden zumindest mein Mann und ich.

Ich komme mit dem Auto vom Einkaufen zurück. An der Ecke zur Einfahrt in unsere Straße fallen mir sechs junge Mädels auf. Etwa gleiches Alter, das ich auf 16 bis 17 Jahre schätze. Ich war ja auch mal jung. Wohnen die alle hier? In unserer Sackgasse? denke ich, fahre dann in unsere Einfahrt und sinniere weiter, warum hier so ein Pulk von weiblichen Jugendlichen durch die Straße flaniert. Ich steige aus, hole die Einkaufswanne aus dem Kofferraum, bringe sie ins Haus, stelle sie in der Küche auf einen Stuhl, als das Telefon geht. Eine Bekannte ruft mich auf meinem Handy an. Während ich auf dem Küchenstuhl sitze und plaudere, sehe ich mehrere jugendliche Mädchenköpfe vor dem Küchenfenster entlanggehen. Das Fenster ist in einer Höhe eingebaut, dass ich tatsächlich nur die Frisuren sehe und sie kommen mir bekannt vor. Hm, denke ich, die Mädels von eben?

Noch zwei bis vier Köpfe erscheinen hinter dem Glas und bewegen sich auf die Haustür zu, die sich neben dem Küchenfenster befindet. Die Zeugen Jehovas? denke ich und verwerfe den Gedanken gleich wieder, denn die kommen meistens zu zweit. Es klingelt. Mein Mann ist zuhause und weil ich telefoniere, geht er an die Tür. Ich führe mein recht langes Telefongespräch weiter und natürlich ist das Schauspiel an der Haustür längst beendet, als das Gespräch aufhört.

Was für ein Schauspiel?

Ich gehe ins Wohnzimmer zu meinem Mann und schaue ihn fragend an. “Was war das denn eben?”, frage ich ihn. “Das glaubst du nicht!!”, bricht es aus ihm hervor. Er schlägt sich beide Hände vors Gesicht und klopft sich die Schenkel. “Die sind von B. bis hierher gewandert (Entfernung ca. 4 km) und sagten, sie hätten nichts zu essen mit. Und sie wollten fragen, ob ich ihnen was zu essen geben könnte, ein Brötchen vielleicht.” “Diese jungen Mädchen? Die hatten nichts zu essen mit? Auf einer Wanderung? Als 17-Jährige? Alle??? Wie blöd sind die denn?” “Ja”, sagt er, “sie behaupteten, sie hätten ihre Rucksäcke mit Essbarem alle in irgendeinem Haus Soundso gelassen und jetzt hätten sie nichts zu essen.” “So doof kann man doch gar nicht sein. Du hast denen doch nichts gegeben?” “Nee, sie haben aber gesagt, es könnte auch Geld sein. Es wäre eine Challenge. Ich könnte ihre Betreuerinnen fragen.” Und die sind dann auch noch um die Ecke geschlichen, um das Gesagte zu bestätigen.

Nun fragen wir uns: Was sollen die Mädels bei so einer Challenge lernen? Das Betteln? Wäre ich an der Tür gewesen, hätte ich zu ihnen gesagt: “Da hinten, am Ende der Sackgasse, direkt neben der Kirche steht ein Mirabellenbaum. Der wirft zur Zeit lauter leckere Mirabellen ab. Den müsstet ihr doch gesehen haben? Da könnt ihr jetzt noch hingehen und eure Challenge bestehen.”

Was war das jetzt eigentlich? Kinderferienspaß? Auf jeden Fall skurril! Wie ich anfangs schon sagte …

© Ulrike Nikolai 2025-07-31

Genres
Novels & Stories
Moods
Herausfordernd, Komisch, Reflektierend
Hashtags