Die kleine Lokomotive steht auf einem Sockel aus roten Klinkern. Sie ist kein âDampfrossâ, wie die meisten oft kolossalen Dampfloks, die frĂŒher im Personen- und GĂŒterverkehr zum Einsatz gekommen waren, sondern bei aller Kraft, die offensichtlich hinter ihr steckt, wirkt sie eher zierlich. Ungewöhnlich das Fahrwerk mit vier groĂen RĂ€dern an zwei schweren Achsen unterhalb des FĂŒhrerstandes hinten am Kessel und einem vergleichsweise kleinen Radsatz vorne unterhalb des Rauchfangs. Von unten her hell erleuchtet, setzt sich das Fahrwerk in Bewegung, mehrere Schubstangen bringen den Treibradsatz in eine Drehbewegung, aber ⊠die einstige Zugmaschine kommt nicht in Fahrt, tritt auf der Stelle, bleibt ein Denkmal.
âMĂŒhldorfer Denkmallokâ wird die Lokomotive genannt, die, 1913 von der Firma Krauss in MĂŒnchen gebaut, 50 Jahre lang in Niederbayern und der Oberpfalz ihren Dienst verrichtete. Der frĂŒhere HauptlokfĂŒhrer und langjĂ€hrige MĂŒhldorfer Stadtrat Walter Speckmeier hatte sich die Lebensaufgabe gestellt, die Lokomotive nach MĂŒhldorf zu holen und hier als Denkmal fĂŒr die Eisenbahnerstadt aufzustellen, mit Erfolg. â Da stand sie dann, 25 Jahre lang, viel bestaunt, oft fotografiert, aber auch ungeschĂŒtzt dem âZahn der Zeitâ ausgesetzt und deshalb zunehmend dem Rost verfallend. Selbst einen kleinen âUmzugâ im Zusammenhang mit dem Neubau der nahen EisenbahnunterfĂŒhrung ĂŒberstand sie noch unbeschadet, aber 1994 war sie plötzlich weg.
Vier Jahre lang gehörte sie meinem Alltag an, fĂŒhrte doch mein Weg von und zur Arbeit an ihr vorbei. Aber selbst ich beachtete sie immer weniger, nahm kaum Notiz von ihrem Verfall und war nicht ĂŒberrascht, als sie auf einmal verschwunden war. â Mit steigendem Interesse an der Bahn allgemein und dem âLiniensternâ MĂŒhldorf im Besonderen, stellte ich mir aber dann doch irgendwann die Frage, was denn aus der alten Lok geworden sein könnte. TatsĂ€chlich war sie nicht den Weg so vieler ihrer âSchwestern und BrĂŒderâ zur Verschrottung gegangen, sondern der Bayerische Localbahnverein e. V. hatte sie im DB-Dampflokwerk Meinigen originalgetreu restaurieren lassen. Seit 2005 ist sie wieder mit Sonderfahrten im Einsatz. Den Standort MĂŒhldorf bedient sie dabei nur noch sporadisch.
70 083 ist die Betriebsnummer der âMĂŒhldorfer Lokâ, mein h0-Modell trĂ€gt die Nummer 70 091, aber die Unterschiede sind marginal. Es ist auf alle FĂ€lle eine Baureihe 70 Tenderlok mit Fahrwerk 1 âB. Und ich habe sie wieder zum Denkmal gemacht, sinnigerweise nicht in MĂŒhldorf, sondern dort, wo ich in meinem Berufsleben so gerne den alten Bahnhof restauriert hĂ€tte, in Waldkraiburg. Sie steht da auf ihrem Sockel am Bahnhofsvorplatz, beleuchtet und mit bewegtem Fahrwerk, bestaunt vom zahlreichen Publikum des Bahnhofs Waldkraiburg und vor Weihnachten sogar im Mittelpunkt des dort stattfindenden Christkindlmarkts.
Wohl dem, der eine Modelleisenbahn sein eigen nennt, da kann man noch TrĂ€ume wahr werden lassen. Mit den Worten Pippi Langstrumpfs heiĂt das: “Ich machâ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefĂ€llt”.
© Hermann Karosser 2024-07-11