„Die Ewiglich Verblichene soll mir bei lebendigem Leib das Herz herausreißen und im tropfenden Zustand verschlingen, wenn ich auch nur einen Tag von meinem Vorhaben abkomme.“
„Sag so etwas nicht! Du bist noch viel zu jung für solche Schwüre.“ Christiana warf Jupiter nur einen scharfen Seitenblick zu und zog wieder eines seiner Notizbücher zu sich. „Ich sehe den Vorfall mit deiner Schwester auch nicht unbedingt als ein Zeichen böser Geister an, sondern eher als Warnung“, erklärte er ihr. „Von wem?“ „Viel wichtiger ist, vor was.“ „Mir nicht. Ich habe keine Angst.“
Jupiter bedachte sie mit einem weichen Blick. Genau denselben hatte sie auch schon heute Morgen bei ihm bemerkt, als er sie durchgefroren und mit steifen Gliedmaßen aus der Kühlkammer getragen hatte. Anschließend hatte sie sich gezwungen gesehen, ihm zu erzählen, wie Ruby zu Tode kam, um etwaiges Misstrauen seinerseits auszuräumen. Mittlerweile waren seitdem schon Stunden vergangen und Christiana kämpfte sich durch seine Mitschriften. Nur gelegentlich wurden sie unterbrochen, wenn Abby ihnen Tabletts mit Essen brachte oder James wie zufällig einen Spaziergang durch die Laborräume unternahm.
Von all dem bekam sie jedoch nichts mit und ließ sich immer tiefer in die unglaublich vielen Bannflüche von Pentagramm hineinziehen, die er all die Jahre schon ausprobiert und verfeinert hatte. Doch sogar bei seinen eigens erschaffenen fand sie keine Antworten auf ihre Fragen. Offenbar hatte er recht gehabt. Nicht mal er hatte sich bis jetzt an Auferstehungen versucht.
Am späten Nachmittag schlug Christiana schließlich die Lederbücher vor ihr zu und stand entschlossen auf. Unter dem verwunderten Blicken des Großmagiers riss sie etliche Laden an ihrem Schreibtisch auf. „Wenn es keine Antworten auf meine Fragen gibt, dann muss ich eben umdisponieren“, behauptete sie und stapelte Gläser mit knochenstaub auf der Tischplatte, „Ich werde Ruby genauso zurückholen, wie ich auch die Seelen der Katzen manifestiert habe.“
Jupiters Stimme hörte sich alles andere als erfreut an: „Das war ein Unfall und ich denke nicht, dass du es ein weiteres Mal ausprobieren solltest. Du könntest dich schwer verletzten. Abgesehen davon ist irgendwann nichts mehr von deiner Seele übrig.“
Egal. Das war ihr alles vollkommen egal, solange sie Ruby wieder Leben schenken konnte. Mit einem behänden Griff zog sie die Riegel des Kühlzimmers auf und ließ die Kälte vorbeiziehen.
Doch gerade als sie den Staub auf dem Boden und der Brust der Toten, als Transmitter, verteilen wollte, griff Jupiter nach ihrem Arm. „Du hast schon genug getan“, sagte er ruhig zu ihr und das feine Knochenpulver verteilte sich auf seinem Mantel, „Überanstreng dich nicht. Deine erste Glanzleistung liegt noch nicht lange zurück…“
Das Mädchen machte sich von ihm los und verstreute mit einer fließenden Bewegung den Inhalt des Glases auf dem Boden. „Ich habe es Euch schon gesagt. Sprecht nicht so mit mir, Meister.“
© Mara Schuster 2022-07-19