Die österreichische Brasilieneinwanderung war von zwei groĂen, organisierten
Migrationen geprĂ€gt: der unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg durchgefĂŒhrten
âAktion Gamillschegâ und der GrĂŒndung der Siedlung Treze Tilias (Dreizehnlinden)
durch den ehemaligen Landwirtschaftsminister Andreas Thaler in den 1930er Jahren.Ende 1918 konzipierte der k.u.k. Rittmeister im Ruhestand, Othmar
Gamillscheg, eine organisierte Auswanderung von Offizieren der k.u.k. Armee, die
ihrer Lebensgrundlage verlustig gegangen waren. Gamillscheg fasste von Beginn an Lateinamerika ins Auge, weil dort, wie er meinte, wirtschaftliche Fehlgriffe nicht
gleich katastrophal wÀren und der Assimilationsdruck nicht so groà sei wie in den
USA. Dieses Argument des fehlenden Integrationsdrucks wurde immer wieder von
Propagandisten fĂŒr die Migration in lateinamerikanische Staaten ins Treffen gefĂŒhrt.Gamillschegs Enthusiasmus, einer Gruppe zum ertrĂ€umten Erfolg zu verhelfen und damit das eigene, angeschlagene SelbstwertgefĂŒhl zu heben, entfachte ein Auswanderungsfieber, das ansteckend wirkte und irrationale Hoffnungen erweckte. Zum Beispiel brachten die Einwanderer groĂe Mengen von Kerzen und Streichhölzern mit, denn bei der groĂen Unerfahrenheit hatten sie die feste Ăberzeugung, dass es diese Sachen in Brasilien nicht gĂ€be. Dass in Brasilien portugiesisch gesprochen wurde, hatten viele Auswanderer erst auf dem Schiff erfahren. Bereits nach den ersten Arbeitstagen auf der verwahrlosten, inmitten eines Buschwaldgebietes liegenden Fazenda waren sie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gestoĂen. Manche mussten sich erst mit Buschmessern einen Weg zu ihrem zugewiesenen StĂŒck Land freihacken. Dort erwartete sie nicht einmal ein Dach, das sie vor den Starkregen schĂŒtzte. Sie hatten keinerlei Wissen, wie man mit Schlangen oder Krankheiten umgehen kann oder welche Pflanzen man essen kann.
Ein Problem stellte der Frauenmangel dar: bei der ersten ausgewanderten Gruppe von fast 400 Personen waren nur 72 Frauen und 20 Kinder mitgekommen.
Die Gamillscheg-Aktion erwies sich als Desaster. Ihr Leiter hatte den gröĂten
Teil des Vereinsvermögens durch den schlechten Kaufvertrag verbraucht. Die
Konflikte mehrten sich rasch, das Unternehmen zersplitterte. Die auf einer Fazenda
lebenden Ăsterreicher hielten bis Mitte 1920 durch. Eine kleinere Gruppe versuchte sich bis 1922 auf den LĂ€ndereien einer deutsch-brasilianischen Siedlungsgesellschaft nahe der Staatsgrenzen von ParanĂĄ und Santa Catarina als Lohnarbeiter. Die HĂ€lfte der Ausgewanderten war ohnehin in der 250 km entfernt liegenden Metropole SĂŁo Paulogeblieben oder dorthin abgewandert.
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