Die Fahrprüfung

Günter Zimmel

by Günter Zimmel

Story

Eigentlich war ich immer der Meinung, ich brauche keinen Führerschein. Ich komme auch so von A nach B. Ich bin mit dieser Einstellung-ACHTUNG-immer gut gefahren. Meine damalige Lebensabschnittsgefährtin war anderer Meinung. Sie hatte die Information, dass in Österreich der Führerschein auf Probe eingeführt werden soll. Und um mir das zu ersparen wurde ich von ihr verpflichtet, den Schein für das Auto zu machen. Nicht nur, aber auch, weil sie den Führerschein bezahlen wollte, willigte ich schließlich ein.

So saß ich dann also in der Fahrschule und versuchte, mir das Beigebrachte zu merken. Theoretischer Fahrschulunterricht ist echt nicht so spannend. Deswegen möchte ich mich nicht weiter darüber auslassen. Aber die Praxis!!! Mein Fahrlehrer war ein älterer und sehr sympathischer Mann. Er brachte eine totale Ruhe in unsere vorgeschriebenen zwanzig Fahrstunden, was für mich sehr vorteilhaft war. Da standen wir also auf einem Parkplatz und der Lehrer erklärte mir bei geöffneter Haube den Motor. Dann durfte ich ans Steuer. Erste Aufgabe war, die Straße zu queren und links abzubiegen. Und während ich abbog, hörte ich ganz leise: „Mist. Mist.“ Nachdem ich nachgefragt hatte, erklärte mir der Fahrlehrer, dass links abbiegen erst in der Fahrstunde acht relevant wird. Er beschimpfte mich noch als offensichtlichen Schwarzfahrer und lächelte. So ging es tagelang weiter. Bis die Fahrprüfung anstand.

Wir saßen also im Auto. Eine Kollegin von mir begann die Fahrt. Schön ruhig und alles beachtend fuhr sie durch die Stadt. Ich hatte für sie ein gutes Gefühl. Und dann: Fahrerwechsel. Jetzt ich. Mein Fahrlehrer, der am Beifahrersitz immer kleiner wurde, wusste, dass ich große Prüfungsangst hatte. Ich fuhr also los. Viel zu langsam und zögerlich. Deswegen gab er für mich Gas. Was mich total aus dem nicht vorhandenen Konzept brachte. Wir kamen zu meiner Angstdisziplin: Parallel einparken. Mit Bravour geschafft. Dem Fahrlehrer tropfte der Schweiß von seiner Stirn. Dann fuhren wir zum Zielpunkt. Der Prüfer befahl, dass ich NICHT auf den Parkplatz fahren, sondern auf der Straße stehen bleiben sollte. Sofort war mir klar, was der Bimpf von mir wollte. Im Augenwinkel konnte ich sehen, wie mein Fahrlehrer aus Verzweiflung immer tiefer in seinem Sitz versank. Noch NIE war einer seiner Schüler bei der Prüfung durchgefallen. Ich musste an einer ungeregelten Kreuzung halten, querte sie und kam zum Ziel unserer Fahrt, dem Parkplatz, in den ich ja nicht einfahren durfte. Ich wurde langsamer und langsamer. Ich habe das Zittern im Beifahrersitz genossen, wie selten eine Situation in meinem Leben. Das Auto stand schon fast. Im Rückspiegel konnte ich das Grinsen des Prüfers sehen. Ein Sadist. Sonst wirst du kein Fahrprüfer! Mein Fahrlehrer wollte gerne was sagen, durfte aber nicht. Und kurz bevor der Wagen stoppte, drehte ich mich langsam nach rechts, lächelte meinen Fahrlehrer an und setzte den rechten Blinker! Damit hatte ich bestanden.

© Günter Zimmel 2020-11-24