by Runa_Nox
Sie ist mir gleich am ersten Abend aufgefallen, weil wir beim Abendessen nebeneinander gesetzt wurden. Sie war groß, mindestens zwei Köpfe größer als ich, sportlich und schlicht, aber trotzdem stilvoll gekleidet. Ihre kurzen Haare lagen am Kopf an und ihre Lippen waren im Vergleich zum Rest des Gesichts stark betont. Erschöpft von der Reise, lächelte ich sie knapp an und widmete mich dann meinem leckeren Essen vor mir. Am nächsten Tag begegneten wir uns wieder – wir beide wurden auch beim Frühstück wieder nebeneinandergesetzt. Diesmal war sie es, die mich breit anlächelte und mir einen guten Morgen wünschte. Immer mal wieder begegneten sich unsere Blicke, während wir beide still unser Frühstück aßen. Fast schon dachte ich, sie wäre abgereist als ich sie beim Mittagessen nicht sehen konnte, dafür kamen wir dann gleichzeitig zum Abendessen an. Sofort legte sich ein Lächeln um meine Lippen und mein anstrengender Tag war vergessen. “Guten Abend!” Sie drehte sich erstaunt herum, grinste mich dann aber an und antwortete “Guten Abend! Na, auch schon hungrig?” Ertappt nickte ich und wir beide wurden wieder an unsere Tische geführt. Heute setzten wir uns beide so hin, dass wir uns gegenüber saßen und uns gegenseitig ansehen konnten, wenn wir lediglich den Kopf hoben. Ab und zu trafen sich unsere Blicke und jedes Mal legte sich ein kleines wissendes Lächeln auf ihre Lippen. Meine Wangen wurden schon ganz warm und mein Gesicht glühte.
Am nächsten Morgen konnte ich endlich mal ausschlafen und ging erst sehr spät frühstücken. Zu meiner Überraschung saß sie immer noch an ihrem Tisch, nippte ab und zu an ihrem Saft, schien aber schon fertig mit dem Essen zu sein. Als sie erkannte, dass ich in den Saal lief, zog sie ihre linke Augenbraue nach oben und legte ihren Kopf schief. Ihr rechter Zeigefinger tippte schnell zwei-, dreimal auf ihre Uhr am linken Handgelenk und sah mich fragend an. Ich zuckte nur mit den Schultern und antwortete “Heute konnte ich mal länger schlafen, das musste ich ausnutzen.” Ihre Augen wurden weicher, als sie ihren Saft mit einem Zug austrank und mir beim Vorbeigehen noch ein “heute Abend pünktlich um 18:30 Uhr” zuraunte. Verwirrt blieb ich an meinem Tisch zurück und begann zu essen. Am Abend machte ich mich überpünktlich auf den Weg zum Essenssaal und so war ich schon vor ihr an der Tür. Gerade als mich der Kellner an meinen Tisch führen wollte, hörte ich von hinten ihre hohen Schuhe klackern. “Warten Sie, sie gehört heute Abend zu mir. Würden Sie noch ein Gedeck bringen bitte?” Irritiert blickte ich zwischen den Tischen hin und her, entschied mich dann doch aber dazu, mich an ihren Tisch gegenüber von ihr zu setzen. “Gut siehst du aus”, sagte sie, während ihr Blick unverhohlen über meinen Körper wanderte. “Danke, das kann ich nur zurückgeben!” Selbstbewusst nickte sie und so begann ein Gespräch über belanglose Themen, doch die unausgesprochenen Wörter zwischendrin waren umso schwerwiegender. Unruhig rutschte ich beim Nachtisch auf dem Stuhl herum, mein ganzer Körper kribbelte mittlerweile und ich war ziemlich nervös. “Komm, ich weiß, was du jetzt brauchst.” Auffordernd hielt sie mir ihre Hand hin und zog mich auf die Beine. An ihrer Tür angekommen, drehte sie sich um, schaute mich an und lächelte sanft. “Willst du mit hineinkommen?”
© Runa_Nox 2025-04-13