by Philip
Im Jahr 1954 gab es noch keine Mähdrescher. Die fortschrittlichste Erntemaschine war der Bindemäher; damit mähte man auf langen Halmen stehende Getreidesorten, wie Roggen und Weizen. Diese Getreidepflanzen wurden in der Maschine zu Garben gesammelt, mit Papierschnüren gebunden und seitlich ausgeworfen. Die Garben wurden dann aufgemandelt, das heißt um eine Garbe in der Mitte wurden 5 bis 6 Garben pyramidenförmig mit den Fruchtständen nach oben zur restlichen Ausreifung zusammengestellt.
Gerste und Hafer haben relativ kurze Halme; diese Getreidearten wurden damals noch mit der Sense gemäht. Das Stroh dieser Getreide Sorten ist schön weich und wurde daher als Füllmaterial in die damals noch üblichen Strohsäcke gefüllt. Strohsäcke waren damals das, was Matratzen heute für die Menschen sind. Die langen Grannen der Gerste fanden ebenfalls Verwendung, sie halten beispielsweise Lehm und Schamott fester zusammen, wenn man daraus Baumaterialien herstellt.Mit meinen 12 Jahren musste ich zum ersten Mal beim Mähen der Gerste mitmachen. Am Vortag hörte man, wie in den verschiedenen Höfen die Sensen gedengelt wurden. Eine fidele Musik ist da in den Ortschaften zu hören, ähnlich klingt es dann im Herbst, wenn der Fassbinder die Mostfässer für die Obsternte vorbereitete, wenn also auf die frisch abgedichteten Fässer die Metallreifen mit dem Binderschlägel hinaufgetrieben wurden.Das Mähen lernt man bereits, wenn man morgens das Futtergras für die Kühe mähen und mit dem Radlbock in den Stall bringen musste.
Ausgestattet mit einem Kumpf – das ist ein Horn von einem Stier – der auf einem Gurt befestigt ist und in dem der Wetzstein mitgenommen und nass gehalten werden kann, so eine Sense muss ja von Zeit zu Zeit nachgeschärft werden, mähten die in Abständen von 2 bis 3 Meter arbeitenden Mäher die herrlich golden leuchtende Gerste ab.Als Anfänger mähte ich an letzter Stelle. Weil ich das Gefühl hatte, dass mir die Arbeit sehr gut gelang, begann mir das Mähen richtig Spaß zu machen. Nachzutragen ist, dass die beste Zeit für das Mähen der frühe Vormittag ist, so lange die unteren Teile der Gerstenhalme noch etwas taufeucht sind, da zischt die Sense so richtig leicht durch. Um ungefähr 11:00 Uhr wurde für uns Mäher eine so genannte Spreizen, das ist eine Zwischenmahlzeit bestehend aus Brot, Butter und Milch oder Most, aufs Feld gebracht. Dann setzten wir das Mähen bis etwa 13:00 Uhr bis wir fertig waren fort.
Nach getaner Arbeit kam der Bauer zu mir: “Philip, sagte er, als ich in deinem Alter war, war ich beim Gerstenmähen so schnell, dass ich meinem vor mir mähenden Vater in seine Ferse gemäht habe! damals habe ich zum letzten Mal eine Fotzn – also eine Ohrfeige – von ihm bekommen”! Was soll man zu so viel Blödheit und Sturheit noch sagen, dachte ich mir. Dabei musste er einige Wochen später von meiner Mutter und den anderen Mitarbeitern gerettet werden, dass er nicht mit seinem Traktor über eine Böschung abstürzte.
© Philip 2020-03-08