Margarete Horvath war die Mutter meiner Mutter. Durch meine Geburt wurde sie zur Großmutter und hieß fortan „Grete Oma“. Sie liebte es, einmal die Woche zum Frisör zu gehen, hatte immer eine perfekte Dauerwelle. Ihr Haus roch sauber und war stets ordentlich. Sie lebte, mit dem Opa gemeinsam, im Schulmeisterhäuschen der guntramsdorfer Volksschule. Die Grete Oma war Schneiderin beim Palmers, auch zu Hause hatte sie eine Nähmaschine. Sie nähte allen ihren Enkelkindern bunte Lodenjanker für den Herbst. Im Sommer saßen die Oma und ich auf der Treppe des Hauses in der Sonne und lösten Kreuzworträtsel. Ich kann mich besonders an ihr Lachen erinnern, so fröhlich und hell wie der Sonnenschein. Sie hatte Humor: wenn sie hörbar einen fahren ließ, worüber ich mich empörte, erhob sie den Zeigefinger und sprach: “Laute Schaße stinken nicht! Aber diese kleinen leisen, die sich heimlich durch die Hose schleichen, vor denen mein Kind hüte dich! Denn die, die stinken fürchterlich!“, dann zwickte sie mich in die Nase und wir lachten. Sie brachte uns jede Menge lustige Reime und Lieder bei und konnte pfeifen, wie ein Vogel zwitschert. Gerne hätte sie zwei Kanarienvögel gehabt, aber der Opa war strikt dagegen. Er schenkte der Oma lieber jedes Jahr zum Geburtstag ein Swarovski-Tier für ihre Nippes-Sammlung. Die Grete Oma schenkte mir einen Plastikvogel für die Badewanne. Den konnte man mit Wasser füllen und wie in eine Pfeife hinein blasen, dann zwitscherte er. Sie war auch eine gute Köchin, bei keinem Menschen schmeckte das Essen so gut wie bei ihr. Das lag wohl an der besonderen Sorgfalt, mit der sie alles tat. Einmal warf sie eine duftende Biskuit-Roulade direkt vom Backrohr in den Mist und buk eine Neue. Keiner hatte etwas an der Ersten auszusetzen gehabt… Von der Grete Oma lernten wir neben den Reimen und Liedern auch die Sauberkeit. Sie erzog uns dazu, immer die Hände zu waschen: wenn wir von draußen kamen, vor dem Essen und nachdem wir den Hund gestreichelt hatten. In der Früh und abends die Gesichter zu waschen und Zähne zu putzen. Wenn wir niesten, sollten wir das in die Arm-beuge tun, ein Taschentuch zum Nachschneuzen verwenden. All die Reinlichkeitsregeln waren bei der Grete Oma leichter einzuhalten, als bei anderen Menschen. Ihre Sauberkeit war sehr authentisch, sie war Teil ihrer Persönlichkeit. In meiner Erinnerung sehe ich sie lächelnd, mit Dauerwelle, nach frisch gewaschener Wäsche duftend. Sie war eine perfekte Hausfrau, trotz Vollzeitarbeit. Außerdem eine kreative Frau. Das zeigte sich in Alltäglichkeiten wie der Nachmittagsjause. Sie nahm für jedes Enkelkind eine Brotscheibe, löste die Rinde ab und knetete das weiche Innere zu einer Kugel. Aus dieser formte sie Blättchen unterschiedlicher Größe, um eine Brot-Rose zu modellieren, die sie uns auf den Teller setzte. Später versuchte ich das auch. Es schmeckte nie so gut, wie bei Grete Oma. Ich denke ihre Hände strahlten groß-mütterliche Liebe aus, die alles besser machte.
© Miriam Strasser 2022-01-25