by Emilia Preuß
Ich hielt den Kopf gesenkt, als ich die dunkle Straße entlang ging. Ich hasste diesen Weg. Es war aber der einzige, der mich nach Hause brachte. Die Sonne war bereits Untergang und war nur noch schwach hinter den Häusern zu erkennen. Obwohl ich nicht aufblickte, wusste ich, wessen Haus das war. Jeder kannte dieses Haus. Selbst, wenn man noch nie auf eine der Hauspartys der Zwillinge eingeladen wurde, kannte man es. Ich hielt die Luft an und hoffte nur, dass mich keiner entdecken würde. Doch das Pech war mal wieder auf meiner Seite. Ein Klicken ließ mich zusammen zucken und ich wandte den Kopf nach links. Alles, was ich sehen konnte, war ein Funke des Feuerzeugs, dass erneut klickte. »Tut mir leid«, sagte eine Stimme. Ich erkannte sie augenblicklich. Auch wenn ich noch nie mit ihm geredet hatte. »Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte James tonlos und irgendwie schaffte er es, so zu klingen, als würde er es tatsächlich ernst meinen. Ich antwortete nicht. »Du bist Dalia, richtig?«, fragte er und ich ließ mir meine Überraschung nicht anmerken. Wieder sagte ich nichts. »Wir haben Mathe zusammen«, erinnerte er sich. Ich konnte es nicht ganz erkennen, es sah aber so aus, als würde er mich mustern. Erneut gab ich keinen Ton von mir. Wenn ich nichts sagen würde, würde er mich vielleicht wieder vergessen. Und ich müsste nie wieder mit ihm oder seinem arroganten Bruder reden. Er zog an seiner Zigarette und stieß den Rauch wieder aus. »Na dann, Dalia«, flüsterte er und stand auf. Er stand nun unmittelbar vor mir und ich schluckte, als er auf mich herab blickte. »Wir sehen uns am Montag in Mathe.« Und dann drehte er sich um und verschwand im Haus.
James
Als ich wieder zum Pool zurückkehrte, hatte sich die Stimmung verändert. Ein paar unserer Gäste lagen auf den Liegen oder hatten sich ins Haus zurückgezogen. Jason saß an der Bar und nippte an seinem Drink. »Wer war denn das?«, fragte er grinsend. »Niemand«, gab ich zurück. »Wieso hast du die Süße nicht dazu gebeten?« Ich verdrehe die Augen und nahm mir ein Bier aus dem Außenkühlschrank. »Das war diese Streberin aus der Schule«, sagte ich und beobachtete meinen Bruder. Dieser zuckte nur mit den Schultern und nahm einen weiteren Schluck. Ich war mir sicher, ob er so reagiert hätte, wenn er nicht angetrunken wäre. Aber vielleicht wusste er auch nicht genau, wen ich meinte. Denn sonst ließ er keine Gelegenheit aus, um sich über die kleine, schlaue Dalia lustig zu machen. »Selbst wenn ich sie gebeten hätte, wäre sie trotzdem nicht hereingekommen«, gab ich ihm zu bedenken. »Hätte ich sie gefragt, wäre sie mit Sicherheit dazu gekommen«, meinte Jason. »Ja, klar. Du, mit deinem unwiderstehlichen Charme.« Er stieß ein rauchiges Lachen aus. »Wollen wir wetten?« »Worüber?« »Wer es schafft, sie dazu zu bringen, auf eine unserer Partys zu kommen.« Ich legte den Kopf schief und seufzte. »Wieso, Jason?« »Weil wir es können.«
© Emilia Preuß 2022-07-21