by Mira Wagener
Welcher Zauber liegt in Post-Apokalypsen und warum träumen sich Menschen so sehr in eine zerstörte Welt? Egal ob “The Last of us”, “Metro 2033” oder “Fallout”, aber auch in Songs wie in “Hurra die Welt geht unter” von KIZ – all jene Medien ziehen nicht nur mich in einen Bann, denn in ihnen liegt eine gewisse Ästhetik.
Riesige Städte überwuchert von Efeuranken, halb eingestürzte Häuser, die Sonne kann durch das Loch im Dach strahlen. Es gibt keine Straßen mehr, keine Länder, keine Gesetze. Keine Gesellschaft.
Eben jene Gesellschaft, die uns einen Ausweg erträumen lässt, weil wir sie ungern ertragen. Jene Gesellschaft, in der wir vierzig Stunden in der Woche arbeiten müssen, um etwas wert zu sein und dass uns verurteilt, sobald wir, wir selbst sein wollen. All die Grenzen, die wir nicht sehen, aber schmerzhaft spüren, werden angesichts Zombies und Atomkatastrophen gesprengt. Und diese Vorstellung schenkt uns ein Gefühl der Freiheit, der Hoffnung.
In Postapokalypsen ruht ein gewisser Neuanfang. Eine sich anbahnende Zuversicht nach einer Katastrophe. Die Chance, Veränderung aus Trümmern zu errichten. Wenn das nackte Überleben auf dem Spiel steht, hören unsere Gedanken auf, sich um sich selbst zu drehen. Aussehen, Status und Geld verlieren ihren Stellenwert und ohne den Empfang auf unseren Handys können wir uns nicht mehr mit anderen vergleichen. Erdbeeren pflücken wird zum Vergnügen und die Orte, die wir täglich besuchen, verlieren angesichts eines Überlebenskampfs ihre Selbstverständlichkeit. Die Pflanzen, die unsere Zivilisation verschlingen, bringen uns nicht nur die Schönheit der Natur näher, sondern zeigen uns auch wie eine Welt im Einklang mit ihr aussehen könnte – und wie widerstandsfähig die Natur im Gegensatz zu unseren verletzlichen Körpern ist.
In einer postapokalyptischen Welt gibt es keine Millionäre oder Obdachlose mehr. In dieser Welt geht es darum, die wertvolle Zeit, die man schnell verlieren kann, mit Menschen zu teilen, die man liebt. Wem die eigene Sterblichkeit bewusst ist, lebt intensiver. Aber wir lernen vielleicht auch einen Teil in uns kennen, der uns weniger gefällt. Denn wem die eigene Sterblichkeit voller Angst vor dem Tod bewusst ist, lebt auch egoistischer.
Ich verstehe, warum mich Geschichten dieser Art so sehr begeistern. Ich sehne mich nach einem Neuanfang der Gesellschaft. In meiner dystopischen Utopie fürchte ich mich nicht vor Arbeitslosigkeit oder sozialem Druck, sondern höchstens vor Zombies. Aber warum braucht es erst Zombies, um uns einen Vorgeschmack auf einen weniger perfektionistischen und leistungsorientierten Alltag zu liefern? Warum müssen wir erst Lebewesen töten, bis uns die Natur ihre zerstörerisch-schöne Präsenz zeigt?
Der Weltuntergang kann wunderschön sein, aber niemand gibt uns die Garantie, dass ausgerechnet wir die Überlebenden sein werden, die ihn bewundern werden können.
© Mira Wagener 2025-02-27