by Alessa Stern
In der heutigen, unaufhaltsam digitalisierten Welt sind soziale Medien längst nicht mehr nur ein Werkzeug der Kommunikation – sie sind zu einem Spiegelbild unserer Identität geworden. Keine App hat diese Entwicklung so geprägt wie Snapchat. Was einst als einfache Plattform zum Versenden von Bildern begann, hat sich zu einem komplexen System von Statussymbolen und virtuellen Wettbewerben entwickelt. Und das wichtigste Zeichen dafür? Die Flammen. Diese kleinen, leuchtenden Emojis, die die sogenannten „Streaks“ kennzeichnen, haben sich zu einem Maßstab für Anerkennung und Aufmerksamkeit in der digitalen Welt etabliert. Ein „Streak“ ist mehr als nur ein harmloser Austausch – er ist ein Spiel, bei dem jeder Tag zählt. Wer mit wem „flamed“, hat das Sagen. Wer den längeren Streak hat, wer die meisten Emojis bekommt, der ist obenauf. Doch ist das wirklich wichtig? Was bleibt, wenn die Flamme irgendwann erlischt? Diese kleinen Symbole symbolisieren weit mehr als bloße Kommunikation. Sie haben die Art und Weise, wie wir Beziehungen wahrnehmen, auf den Kopf gestellt. Und je länger wir in diesem System gefangen sind, desto klarer wird: Oft bleibt nur der Schein, der uns vorgaukelt, dass etwas zählt, was eigentlich nur Momentaufnahme ist. Doch der „Streak“-Wahn ist nur die Oberfläche. Dahinter verbirgt sich ein weit größeres Spiel – das Spiel um Aufmerksamkeit und Bestätigung. Wer auf Snapchat auffallen will, muss vor allem eines tun: sich inszenieren. Die Flammen und Emojis sind nur der Anfang, doch die wahre Bühne sind die Bilder, die wir senden. Die Filter, die uns schöner, jugendlicher, idealer erscheinen lassen, sind längst zur Norm geworden. Ein einfaches Bild genügt nicht mehr – es muss perfekt sein, muss in den Strom der digitalen Erwartungen passen. Es geht nicht mehr darum, wer wir wirklich sind, sondern darum, wie wir uns darstellen. Wir spielen eine Rolle, die von den sozialen Medien vorgegeben wird. In dieser Welt der Inszenierung bleibt oft keine Zeit für Authentizität.
Die digitalen Masken, die wir uns aufsetzen, lassen uns immer weniger erkennen, wer wir tatsächlich sind. Doch der Druck geht weiter. Der digitale Raum hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie wir uns zeigen, sondern auch, wie wir mit anderen umgehen. Beziehungen, die früher auf Vertrauen und Nähe beruhten, verlieren zunehmend ihre Bedeutung. Heute verschicken selbst Menschen in festen Beziehungen Bilder an andere. Was einst ein intimes Zeichen der Nähe war, wird durch die ständige Präsenz der digitalen Welt zunehmend entwertet. Die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem sind längst verschwunden. Was bleibt, ist die ständige Frage: Wer sind wir wirklich hinter der digitalen Maske?
Es ist ein Spiel, das uns ständig dazu drängt, mehr zu zeigen, mehr zu tun, mehr zu bekommen. Doch die Frage bleibt: Wie viel von dem, was wir sehen und zeigen, ist eigentlich noch echt? Und wie viel davon ist nur eine Flamme, die bald wieder erlischt?
© Alessa Stern 2025-02-27