Die Kaiserin Maria Theresia hatte eine Menge zu tun. Sie regierte in sehr schwierigen Zeiten und hatte (heute unvorstellbare) 16 Kinder. Ihr Mann Franz I. Stephan war ihr dabei aber kaum hilfreich, denn er konzentrierte sich auf sein „Privatleben“. Trotzdem liebten sich die beiden seit ihrer Hochzeit 1736 innig bis an ihr Lebensende.
Franz Stephan hatte nicht nur eine Menge „Gespielinnen“, sondern frönte vor allem seinem Hauptinteresse der Naturforschung, Alchemie und Zahlenmystik.Da er weder als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches noch als formaler Mitregent „der habsburgischen Erblande“ ausgelastet war, fand Franz Stephan genügend Zeit, sich seinen eigentlichen Neigungen zu widmen. Kein Wunder, dass auch im so eminent wichtigen Plan von Schloss und Garten von Schönbrunn alle möglichen Formen von Mystik eingebaut wurden. Besonders in der unter ihm 1752 errichteten Menagerie, dem Kern des späteren Schönbrunner Tiergartens, (dem ältesten Zoo der Welt), Symbole der Freimaurer, der Kabbala und der Rosenkreuzer Eingang fanden. Franz Stephan war Hermetiker, Alchemist, als erster Fürst des europäischen Kontinents Mitglied der Freimaurer und später auch Rosenkreuzer.
Versteckte Kraftplätze, Energielinien und Wasseradern waren Franz Stephan wohlvertraut. Ein besonderes Beispiel der Vernetzungen findet sich im besonders hübschen, barocken „Frühstückspavillon“ im Schönbrunner Schlosspark, der in sich und in seiner Umgebung, Kreis, Dreieck und die Zahlen 4, 8, 9 und 12 vereint.
Im Zeichen der Rosenkreuzer ist der Pavillon der Mittelpunkt des ihn umrundenden Kreises – ein Zeichen der Sonne und der Kaisermacht. Analog zu den 12 astrologischen Tierkreiszeichen, sind rundherum 12 sogenannte „Logen“ für die exotischen Tiere angelegt. Der Pavillon ist wie ein Taufbecken 8-eckig. Diese Zahl symbolisiert durch ihre Endlosschleife den ewigen Kreislauf. Aber auch Glück und Macht. Der Pavillon steht auf einem quadratischen Sockel. Die Zahl 4 steht sowohl für die 4 Elemente, als auch für die vier platonischen Tugenden Weisheit, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit. Über den Türen sind Köpfe angebracht, die diese Tugenden darstellen. Schließlich führen drei Alleen zum Pavillon. Sie bilden ein gleichschenkeliges Dreieck als Verbindung von Körper, Geist und Seele.
Wer (außer zu Coronazeiten) den Pavillon zu einer Kaffeejause oder einem delikaten Mittagessen besuchen möchte, soll sich einmal umsehen: Opulente Fresken, Ölbilder und Spiegel repräsentieren ein imperiales Ambiente. Ein Blick hinauf auf das Deckengemälde sieht nicht nur Mensch und Tier als alchemistisches Symbol vereint, sondern auch eine Darstellung vom „Stein der Weisen“.
Franz Stephan wollte mit seinem Werk das Haus Habsburg mit mystischen Kräften aufladen und stärken. Das hat ihm ganz sicher mehr Freude bereitet als das leidige Regieren.
© Ulrike Sammer 2021-03-13