Die Realität sieht anders aus

Als Leonie aus Dresden zurück war, hatte sie eine E-Mail von M. auf dem PC. Sie sei nicht sein Typ, obwohl er immer gesagt hatte, es ginge nicht nach dem Aussehen, Charakter sei wichtiger etc. Er war es gewesen, der bereits vor dem ersten persönlichen Treffen von Liebe gesprochen hatte! Ja, er habe immer so starke Kopfschmerzen. Davon war vorher nie die Rede gewesen, sei eher ein ruhiger Typ (passt alles wunderbar zum Diskotheker, nicht wahr), möge es nicht, wenn immer so viel geredet würde. Was tut man denn beim ersten Treffen – geht essen und unterhält sich – oder etwa nicht?

Leonie hatte die ganze Zeit, auch während sie sich schrieben und zweimal miteinander telefonierten, so ein ungutes Gefühl und hätte jeden Weg gesucht, sich gleich wieder zu trennen. Das war ihr oft so gegangen. Erst wollte sie jemand kennenlernen, dann ganz schnell wieder frei sein, ehe überhaupt irgendetwas begann.

Auch M. war wieder mal ein Raucher, was er nicht gleich zugegeben hatte. Manch andere Frage blieb auch unbeantwortet. Leonie hatte lange mit sich gekämpft, ihm noch einmal eine richtige Antwort-Mail auf seine Absage zu schreiben, ihm seine massenhaften Rechtschreibfehler vorzuwerfen und seine offenbaren Lügen und Ausreden. Es wäre schade um ‘s Geld gewesen.

Dann – Leonie kam nach Hause. Ihre Mutter sagte: “Du, da war heute ein junger, sehr attraktiver, gut aussehender und offenbar sehr gebildeter Mann da. Er wollte zu dir – um jeden Preis – und erfüllt dir jeden Wunsch. Einzige Gegenleistung – er möchte dich mit zu sich nehmen, für immer. Er hat keine sexuellen Interessen, einfach nur dich ansehen können den ganzen Tag und ab und zu mal in den Arm nehmen. Du musst nichts tun, nie mehr arbeiten gehen, denn er ist Millionär. Beim Spazierengehen hat er dich, Lady Carnival, schon oft gesehen. Dass du keine Modelmaße hast, ist für ihn kein Problem. Äußerlichkeiten interessieren ihn nicht.

Ein Couchtisch aus Kristallglas für umgerechnet über 1000 DM? Horst sagt: ‘Das ich nicht lache!’ Und die Ledergarnitur – ein Sessel, ein Zwei- und ein Dreisitzer-Sofa für über 5000 €? Kauf sie dir! Eine wunderschöne Anbauwand mit Schnitzereien? Kein Problem. In unserem Schloss auf Madeira ist genug Platz für alles, was Du möchtest. Schöne Kleider, alles vom Feinsten, maßgeschneidert, auf deinen Typ abgestimmt – frag nicht lange, alles ist drin. Ein Kind adoptieren? Warum nicht? Wir haben doch einen Super-Charakter. Das bekommen wir schon hin.”

Doch alles das – Sie ahnen es schon – war leider nur g e t r ä u m t.