by Fenja Harbke
Winter war die perfekte Jahreszeit, um die letzten Kisten aus dem Nachlas von Dorikas Großmutter anzugehen. Leider gab es nur ein bis zwei Stunden in der Woche, in denen das Licht gut genug war, um Fotos zu machen, damit all die Hüte, Kästchen und Modeschmuck per App inseriert werden konnten.
Es waren die letzten Kisten von Dorikas Hexen-Oma, der auch das Haus gehört hatte, dessen Übernahme daran geknüpft war, dass Dorika sich nun um all dieses… Zeug kümmerte.
Der letzte Karton enthielt nur Geschirr. Und ein bronzefarbenes Öllämpchen, das dermaßen rostig war, dass es sicher niemand mehr haben wollte. Halbherzig rieb Dorika über den langen Ausgießer, als das Ding in ihrer Hand zu zittern begann und Magie herausströmte.
In einer kleinen, bläulichen Staubwolke materialisierte sich ein kleine Jinn. Ein winziger Jinn, nicht größer als Dorikas Daumen.
“Endlich! Nach all den Jahrzehnten endlich ein Mensch, der mich den letzten, verbliebenen Wunsch erfüllen lässt.”
Die Hexe machte große Augen. “Bist du… ein Flaschengeist?”
“Gewiss. Nun nenn mir deinen Wunsch.”
“Gibt es nicht normalerweise drei Wünsche?”
“Zwei sind bereits ausgesprochen worden.”
Sie ließ die Hände auf die Knie fallen und Staub wallte auf. Es war schwer vorstellbar, dass ihre Oma solch einen Wunsch unerfüllt gelassen hatte. Aber dann war es wohl an Dorika. Genauso wie all der Krempel.
“Weltfrieden”, sagte sie ohne lange Überlegung.
“Das… geht nicht.”
“Dann Klimarettung.”
“Schön, das… tut mir leid, das ist zu groß für mich.” Der Jinn schwebte etwas tiefer und es sah aus, als würde er sich auf die Lampe setzen.
Dorika zog eine Grimasse. “Schön, und was… wäre dann deine Größenordnung?”
“Schwer zu sagen. Ich bin in all den Jahren in der Lampe etwas eingerostet.”
“Wie die Lampe auch. Kannst du das Ozonloch stopfen?”
“Ähm… nein.”
“Zucker verschwinden lassen? Schokolade gesund machen? Die-die Meere reinigen? Ähm, Verbrenner durch Elektromotoren ersetzen? Mir einen festen Freund besorgen?”
Bei jedem Wunsch schüttelte der kleine Jinn den Kopf, bis Dorika selbst ganz betrübt war. Ihr ginge es jetzt besser, wenn sie diese Wunderlampe gar nicht erst gefunden hätte.
“Kann ich dich einfach frei wünschen, oder sowas?”
“Oh, ich bin frei. Alles, was ich tun muss, ist drei Wünsche zu erfüllen. Und ich möchte, dass sie den Menschen helfen. Also, falls du noch ein paar Ideen hast?”
Dorika überlegte. Sie setzte ihren Hexenhut auf, um besser nachdenken zu können und fixierte dann den Jinn.
“Was hat meine Oma sich denn gewünscht?”
“Einen Lastenbesen und ein Zaubertrank-Rezept gegen Rheuma.”
“Ah, da kommt das her. Das ist wirklich gut. Sie hat schon immer gerne anderen geholfen.” Mild lächelnd sah Dorika sich um, umgeben von all den Kartons und altem Krimskrams und plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte.
“Ich wünsche mir, dass all das Zeug bei jemandem landet, der sich darüber freut und es noch gebrauchen kann.”
Und so war 20 Jahre nach dem Tod der alten Hexe auch ihr letzter Wunsch erfüllt.
© Fenja Harbke 2024-03-13