Die Sache mit dem Bereuen

Kirsten Baumgartner

by Kirsten Baumgartner

Story

“Hätte ich das doch mal anders gemacht!”

“Mein Gott, wie konnte ich nur so blind sein!”

So in etwa geißeln wir uns doch, wenn wir Dinge bereuen, oder? Bereuen ist etwas Alltägliches und jeder macht es – mal mehr mal weniger. Ich bin Experte – oder war es zumindest – im Bereuen. So viele Dinge wollte ich rückgängig machen, die ich verkehrt eingeschätzt oder entschieden hatte. Den Mann, den ich gedatet habe, am besten nie getroffen. Die Jobchance, die ich nicht ergriffen hatte, die ich aber doch hinterher gerne gehabt hätte. Obwohl ich kein religiöser Mensch bin, finde ich, dass es mit dem Bereuen in etwa so ist wie mit dem verbotenen Apfel im Paradies: Wir können etwas nicht haben und wollen es umso mehr, weil wir es eben nicht (mehr) haben können. Den Mann, den ich gedatet und bereut habe es je getan zu haben- da wusste ich, dass ich es nicht mehr rückgängig machen konnte. Es ist halt passiert. Die Jobchance wollte ich auch erst, als ich sie nicht mehr haben konnte.

Meist habe ich Dinge auch bereut, weil ich tatsächlich Langeweile hatte. Ich habe glaube ich noch nie einen Gedanken an etwas Vergangenes verschwendet, wenn ich die Hacken voll mit Arbeit hatte. Sondern meistens schlichen sich solche Gedanken an einem verregneten Sonntag in mein Oberstübchen, wo mir außer Netflix und Kakao nichts und niemand die Seele wärmte.

Dabei ist Bereuen total unnütz. Die Entscheidungen, die ich hinterher versucht habe, rückgängig zu machen – ganz ehrlich, das waren Dinge, die mich im Nachhinein gar nicht glücklich gemacht haben. Einmal habe ich es tatsächlich gewagt und habe beziehungstechnisch eine Rolle rückwärts gemacht. Das Ergebnis: 1 Monat hat es noch gehalten und das war’s dann – wir haben einfach nicht zusammengepasst. Das ist das Psychologische am Bereuen – in dem Moment, wo wir der Reue nachgeben, verspüren wir sie gar nicht mehr. Oder anders formuliert: Wenn ich den paradiesischen Apfel auf dem Silbertablett präsentiert bekomme und der ganz und gar nicht mehr verboten ist, dann hab ich gar keine Lust mehr darauf, genau diesen genüsslich zu verputzen.

Diese Erfahrung war der Schlüssel für mich, das Vergangene endgültig hinter mir zu lassen. Die Gewissheit und das Vertrauen darin, dass das, was ich zurückgelassen habe, gar nicht das ist, was ich wirklich will, hat eine unendliche Ruhe in mein Leben gebracht.

Wie immer hat mir der Alltag dabei geholfen, die Dinge klarer zu sehen. Ich plante das, was für meine Zukunft wichtig war. Die Dinge aus meiner Vergangenheit hatten dann schlichtweg keinen Platz mehr.

Denn erst, wenn wir unsere Zukunft besser gestalten, als die Vergangenheit jemals war, erst dann hören wir auf zu Bereuen.

Meine Zukunft braucht mich, meine Vergangenheit nicht. Das ist die Sache mit dem Bereuen – sobald wir aufhören damit, ist alles viel leichter.

© Kirsten Baumgartner 2022-06-19

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