Die Schwester der Braut

“Versprich mir, dass du dir Mühe gibst.” Meine Schwester und ich machen Fotos mit den Fotografen. Es ist der Tag ihrer Hochzeit.

“Ich verspreche es dir. Aber du musst dir Mühe geben mit dem Werfen. Ich habe dir schon einmal gesagt, dass wir da eine ungünstige Kombination abgeben. Du kannst nicht werfen und ich kann nicht fangen.” Es scheint ihr wirklich wichtig zu sein, dass ich den Brautstrauß fange. Einen Monat zuvor, an ihrem Geburtstag, haben wir diese Unterhaltung schon einmal geführt.

Später am Abend ist es soweit. Alle unverheirateten (und unverlobten) Frauen stellen sich auf. Irgendwer drängt auch meine frisch getrennte Cousine dazu sich aufzustellen, obwohl sie nicht will. Meine Schwester dreht uns den Rücken zu. Die Spannung steigt. Der Strauß fliegt. Viel zu hoch für mich. Er fliegt und landet unschön auf dem Boden vor meiner Cousine. Sie war die Einzige, die ihn hätte erreichen können. Ausgerechnet. Betretene Stille herrscht. Meine Cousine steht da wie versteinert. Der Rest von uns fragt sich, was man in so einem Fall macht.

Meine Schwester geht hin, hebt den Strauß auf. Auch sie ist enttäuscht, dass unsere Cousine sich keine Mühe gegeben hat.

Dann will meine Schwester den Strauß noch einmal werfen. Erneut dreht sie sich um. Wieder diese Stille. Der Strauß fliegt. Er kommt genau auf mich zu. Ich muss nur die Arme ausstrecken und zupacken. Auf den zweiten Versuch haben wir es geschafft. Tränen der Rührung treten mir in die Augen. Meine Schwester dreht sich zu uns, um zu sehen ob ihn jetzt jemand gefangen hat und sieht den Strauß in meinen Händen. Ein Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus, sie kommt auf mich zu und umarmt mich. Ich glaube eine von uns sagt:

“Jetzt haben wir es doch noch geschafft.”

Dann suche ich meinen Freund. Er hat noch gar nicht mitbekommen, dass ich den Brautstrauß gefangen habe. Er konnte von seiner Position aus nichts sehen.

Später erzählt er mir, er habe nur ein Raunen gehört.

“Die Schwester”, habe ihn gefangen. Da es aber auch noch eine Schwester des Bräutigams gab war es nicht eindeutig.

Als sich die Aufregung legt platziere ich den Strauß an unserem Tisch. Bei der Gelegenheit stelle ich fest, dass ich im Eifer des Fangens den Stiel einer Rose umgeknickt habe. Typisch! Kaum habe ich meine Finger dran: kaputt.

Aber mein Freund kennt meine ungeschickte Seite durchaus und ich bin sicher: Er wird mich trotzdem heiraten.