Die unerträgliche Langeweile des Seins

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

by Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story
Podersdorf am See 1958 – 2025

Als Kind war ich mit meiner Mutter oft im Dorf unterwegs. Sie traf Leute, blieb stehen und tratschte mit ihnen. Lange, sehr lange. Über dies und das. Ich stand daneben und wartete. Und wartete. Dann wurde ich ungeduldig. Immer ungeduldiger und drängte meine Mutter zum Weitergehen. Meine stumme Warteposition ließ in mir Langeweile aufkommen. Noch ein Satz. Und noch einer. Endlich gingen wir weiter. Wir gingen einkaufen, zur Kirche, auf den Friedhof, zu Begräbnissen, zum See, meine Taufpatin besuchen. Dort war es besonders langweilig. Ich saß als Kind mitten unter den Erwachsenen, die einander viel zu sagen hatten, und wartete auf das Nachhausegehen. Die Zeit dehnte sich. Die Minuten wurden zu gefühlten Stunden. Unerträgliche Langeweile kroch in alle Zellen meines Körpers. Einmal hielt ich es nicht mehr aus in dieser Atmosphäre von dahinplätschernden Gesprächen, die mit meiner kindlichen Welt nichts zu tun hatten. Ich bat meine Mutter, mich alleine nach Hause gehen zu lassen. Sie erlaubte es. Große Erleichterung. Die Bewegung fühlte sich gut an. Tiefes Durchatmen. Freude darüber, dieser lähmenden Situation entronnen zu sein.

Warten am Tag vor dem Heiligen Abend. Während meine Eltern den Christbaum schmückten und die Geschenke vorbereiteten, musste ich mit meiner Großmutter den Tag mit ihr in ihrem Zimmer verbringen. Ich verstand mich nicht gut mit ihr. Ich erlebte sie nicht besonders einfühlsam mir gegenüber. Der Tag schien kein Ende zu nehmen. Ich sehnte den erlösenden Abend herbei, an dem ich ihr Zimmer wieder verlassen durfte.

Warten auf den Beginn des Kinderprogramms an den Nachmittagen meiner Kindheit. Es begann um fünf. Bei »Lassie« verging die Zeit schnell. Viel zu schnell. Fernsehen war das Highlight des Tages. Ich wurde dabei in eine andere Welt versetzt und erlebte Abenteuer im Kopf.

Warten auf das Ende des Unterrichts in der Schule. Die Stunden waren langweilig. Sehr langweilig. Sehr langweilig. Unerträglich langweilig. Meist auch von Angst besetzt. Sehnsüchtiges Warten auf das erlösende Läuten der Schulglocke, wenn wieder einmal geprüft wurde und die Angst vor einer schlechten Note bedrohlich im Nacken saß.

Warten auf das Wochenende in meiner Jugendzeit. Auf den Samstagabend, an dem ich mit meiner Freundin die Dorfdiskothek besuchte. Und dort wieder warten. Warten auf einen Tanzpartner. Da stand ich am Rand der Tanzfläche und hoffte, von einem Mann zum Tanzen aufgefordert zu werden. Große Enttäuschung, wenn niemand kam.

»Warten auf Godot«. Als 17-Jährige habe ich dieses Theaterstück von Samuel Beckett gesehen und war tief beeindruckt, spiegelte es doch mein Lebensgefühl wider.

Das sehnsüchtige Warten auf einen Liebesbrief, nachdem ich in der Diskothek einen Mann kennengelernt hatte. Warten.




© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2025-03-01

Genres
Biographies
Moods
Herausfordernd, Emotional, Inspirierend, Reflektierend
Hashtags