Mit einem zutiefst erschüttertem, direkt angewidertem Gesichtsausdruck betrat der Kontrolleur den Raum, in dem Person nun seit geraumer Zeit der freundlichen, aber dennoch bestimmten Aufforderung folgend wartete. Er setzte sich langsam und sah seinem Gegenüber mit starrem Blick in die Augen, hielt einen Moment inne und sprach dann: „Unsere Untersuchungen zeigen ein eindeutiges Muster, Person. Seien Sie ehrlich zu mir…“ – kurz kniff er die Augen zusammen und schüttelte den Kopf – „Seien Sie ehrlich zu mir! Haben Sie einen Apfel gegessen?“
Überrascht blickte Person zum Kontrolleur: „Einen Apfel? Ähm … wie kommen Sie darauf? Ich habe doch keinen Apfel gegessen.“ Der Kontrolleur lachte und erwiderte: „Das klingt genau wie etwas, das jemand sagen würde, der gerade einen Apfel gegessen hat… das hören wir hier öfter.“ „Aber wieso denken Sie, ich hätte einen Apfel gegessen? Das ist eine Unterstellung!“, wehrte Person sich gegen die Vorwürfe. Der Kontrolleur sprang auf und wurde langsam aggressiv: „Hören Sie, ich kenne euch doch, euch Apfelesser! Ihr leugnet es immer! Nein, ich doch nicht! Ich weiß nicht einmal was ein Apfel ist, ruft ihr! In Wahrheit trinkt ihr wahrscheinlich schon zum Frühstück einen großen Becher voll Apfelsaft!“
Person versuchte, das Missverständnis aufzuklären: „Herr Kontrolleur, ich schwöre Ihnen, ich habe…“ „Wieso ausgerechnet Äpfel?“, unterbrach der Kontrolleur. „Wenn Sie schon unbedingt Obst essen müssen, warum essen Sie dann nicht einfach eine Mandarine oder eine Banane, so wie jeder normale Mensch?! Dann fehlen Ihnen die Äpfel auch nicht! Es gibt so viele normale, wunderbare Früchte! Und Sie müssen unbedingt einen Apfel essen!“
Nach kurzem Schweigen versuchte Person es erneut: „Ich habe keinen Apfel gegessen, auch wenn Sie mich noch so lange anschreien.“ Der Kontrolleur schüttelte noch einmal den Kopf und verließ dann wild mit den Armen fuchtelnd den Raum. „Ich komme nicht weiter bei solchen sturen, schamlosen Apfelfressern! Mein Kollege soll das übernehmen!“, hörte man ihn noch fluchen.
Wenig später betrat besagter Kollege auch schon den Raum und setzte sich. Er überschlug seine Beine am Tisch und wirkte allgemein viel lockerer als sein Vorgänger. „Also, Person, richtig?“, begann er zu sprechen. „Sie haben also einen Apfel gegessen, nicht wahr? Mir können Sie´s ruhig sagen. Um ehrlich zu sein: Wenn ich allein bin und niemand in der Nähe ist, genehmige ich mir selbst auch ab und zu einen Apfel. Sie schmecken einfach so himmlisch. Ich verstehe das – manchmal kann man einfach nicht widerstehen!“
„Ich habe keinen Apfel gegessen“, behauptete Person erneut, „sondern eine Birne.“ Die Miene des Kollegen wandelte sich innerhalb einer Sekunde von entspannt zu schlichtweg schockiert und unsäglich enttäuscht. „Eine … Birne?“, stammelte er. „Wieso? Das kann Ihnen doch unmöglich schmecken. Also … Äpfel sind eine Sache … aber Birnen?! Sie gehören ja weggesperrt, Sie krankes Schwein!“
© Daniel Zankovitsch 2023-01-02