La La La – Lalalalala… Mein Körper vibriert. Ich wiege mich im Takt, singe lautlos die Zeilen mit. Sie erinnern mich an meine Kindheit, ich war fünf und immer wenn DIESER Song kam, hat meine Schwester das Radio viel zu laut aufgedreht, und wir haben dazu getanzt. Eine sehr gute Freundin hat mir eine moderne Interpretation des Songs geschickt und die Musik hat eine vergessene Seite in mir geweckt.
Meine Zellen kennen den Takt, jeden einzelnen Ton und ich kann nicht mehr still stehen. Selten passiert es, dass ich mich derart vergesse. Auch wenn mich durchs Fenster jeder sehen könnte, hüpfe ich durchs Zimmer. Eigentlich fühle ich mich beim Tanzen plump, unrhythmisch und falsch. Heute ist es mir egal. Ich will plötzlich jeden Ton mit meinem Körper ausdrücken, will den Beat spüren, habe die Augen geschlossen, um mich von vermeintlichen Zuschauern oder dem Spiegel nicht stören zu lassen. Keine Bewertung, nur Gefühl. Mein Herz klopft bis zum Hals und ich beginne mich zu drehen, ganz wild und ausgelassen. Ich drehe mich immer schneller im Kreis, breite die Arme aus und es grenzt an ein Wunder, dass ich nichts mit mir reiße oder umstoße. Ich fühle mich frei und lebendig in dieser kontrollierten und begrenzenden Zeit.
Ich bin nie gerne tanzen gegangen. Deshalb fehlen mir die Clubbesuche ganz und gar nicht. Aber als Kind habe ich es geliebt wild mit meiner Schwester durchs Zimmer zu tanzen und mich im Kreis zu drehen. Und so drehe ich mich auch jetzt – immer schneller und schneller, bis ich irgendwann nicht mehr kann. Ich verliere den Halt und den Boden unter den Füßen und fliege wie ein abstürzender Vogel mit voller Wucht auf mein Bett. Ich kugele über die Matratze und ein Lachflash erfasst mich, schüttelt einen Körper. Wann war ich das letzte Mal so ausgelassen? Es tut unendlich gut. Dann kommt Übelkeit in mir hoch und ich habe einige Minuten lang wirklich Sorge mich übergeben zu müssen. Wie habe ich das als Kind wohl gemacht, dass mir nicht schlecht wurde? Gelohnt hat es sich trotzdem.
Als ich wieder halbwegs gerade aus denken und schauen kann stehe ich vorsichtig auf und mache mir einen Tee. Warum nur kann ich nicht öfter so ausgelassen sein? Mich so leicht und frei fühlen? Wann habe ich das nur verlernt? Lange Zeit dachte ich, ich sei schon als Kind eher ruhig und ängstlich gewesen, aber das stimmt nicht. Ich hatte schon immer viele Seiten in mir: Laute und leise. Leider wurde die laute, wilde und freche Seite oft negativ bewertet und so habe ich Stück für Stück immer mehr davon unterdrückt. Ich wollte angepasst sein, keine Fehler machen, wurde ängstlicher, vorsichtiger, immer leiser. Aber so macht das Leben keinen Spaß! Und endlich habe ich das erkannt und versuche, wann immer ich mich traue, auch mal laut zu sein, wild zu tanzen oder einen frechen Spruch rauszuhauen. Es ist nicht leicht, aber ich weiß, dass diese Seite in mir ist und wieder geweckt werden kann – zum Beispiel durch ein Lied. Wie dankbar bin ich meiner Freundin, dass sie es mir geschickt hat!
© Lynn Morrison 2021-03-07