Die Zitronen meines Vaters

Martina Verant

by Martina Verant

Story

Sonntag! Die Panier war ausnehmend knusprig, kross wäre die richtige Übersetzung. Meine Kinder waren da und alles war in bester Ordnung. Mein Vater, der die Kochkünste seiner Frau immer noch gewohnt war, obwohl sie seit Jahren nicht mehr kochte, Gott weiß, wie sie ihre Zeit dieser Tage himmelwärts verbrachte, bemerkte, dass es keine Zitronen gab.

Sonntag! Meine Kinder kannten die Küche ihrer Mutter und gingen mit diesen Dingen gelassen um, denn mal fehlte die Zitrone, dafür war ausreichend Preiselbeermarmelade am Tisch, mal mussten sie statt Nutella, Honig essen, mal gab es statt des versprochenen Auflaufs eine Lasagne. Ich testete meine Kinder, recht moderat – meinte ich, auf ihre Flexibilität und sie waren für mich ausreichend geeicht. Vaters Frau jedoch war – perfekt! Das Zitronendrama – ebenfalls! Die Tochter – eindeutig imperfekt! Er fragte sich nicht, woran das eventuell liegen könnte, warum weshalb, wieso, denn es ist doch klar, wenn Hänschen von Hans lernt, dann gibt es sonntags zum Schnitzel Zitronen. Nun, ja!

Eines Abends bei Papa zu Hause kochte ich ihm Milchreis und fragte ihn dabei, was er denn heute so getrieben hätte. Während er ausreichend die Zucker-Kakaomischung, das in dem Schüsselchen, das meine Mutter seit Jahren verwendete, über seinen gut gegorenen Reis streute, meinte er: Ich war einkaufen und hab dir Bananen und Zitronen mitgebracht. Ich öffnete den Einkaufsack, heraus lugten zwei schillernd gelbe pralle Zitronen, die vor gelber Freude so strotzen. Oh, mein Papa! Schleppte sich auf klapprigen Beinen zum m-preis, um der Tochter….Moment mal! Da war was, vor 2 Wochen. Oh, mein Papa! Die Sprache der Liebe mit Blicken, beherrschte er. Ich entdeckte gerade, dass er auch noch eine andere Sprache sprechen konnte. Mein altruistischer Vater – oder?

An jenem Tag jedoch war ich trotz allem gerührt, ob der Tatsache etwas geschenkt bekommen zu haben. Ich musste es meinen Freunden erzählen. Da gab es welche, die konnten mein Gefühl beschenkt worden zu sein nachvollziehen und andere, die meinten, dass es doch nur Zitronen seien. In diesem Fall mochte ich die erste Kategorie Freunde lieber, ohne polarisieren zu wollen.

Zwei Tage später rief mich mein Vater an und fragte mich, wo denn seine Zitronen wären. Konsterniert gab ich zur Antwort, dass er mir die wohl geschenkt hätte und dachte an die 2. Freundekategorie. “Aber doch nur eine”, polterte es aus seinem Munde. Das traf mich ziemlich genau dorthin, wo es weh tat. Wie schnell sich doch ein Geschenk in eine Zitrone wandelte. Sollte ich meine 2. Freudenkategorie informieren, zugeben sie hätten recht? Nein!

Lyriker behaupten, dass ein Tisch ein Tisch ist. Ich behaupte, dass eine Zitrone nicht immer eine Zitrone ist. Nur, wenn man sie nicht von einem leiser werdenden Papa als Geschenk bekommt.

Sonntag!

Es gibt Schnitzel mit Zitrone!


© Martina Verant 2025-02-15

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Biographies
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