Disco Scala (32168)

lavoce

by lavoce

Story

Im Jahr 1995, nachdem mich ein gewisses männliches Wesen in die Wüste geschickt, respektive mir den Laufpass gegeben hatte, begab ich mich auf die Suche.

Nach meinem Ego. Vorher schon nicht unbedingt mit Selbstbewusstsein gesegnet, hatte sich dieses in kürzester Zeit komplett vertschüsst. Doch wo suchen? Wie es der Zufall so wollte, gab‘s bei uns im Dörfli eine Disco. Nein, kein Schunkel-Munkel-Scheunentanzlokal, sondern eine richtig große, moderne namens Scala. Ich liebte dieses Etablissement.

Für ein halbes Jahr verwandelte ich dort die Nacht zum Tag. Allein. Also hinein. Als 21-jährige Single-Frau warst du quasi Freiwild und leichte Beute für testosterongeflutete, Libido gesteuerte Wesen. Wobei Anmache anno dazumal einem Kinderspiel ähnelte und anders funktionierte als heute. Unaufgeforderter Körperkontakt rangierte damals noch nicht unter offiziell verpönt. Wenn doch, konnte das weibliche Wesen sehr deutlich werden. Ohrfeigen stellten keine Seltenheit dar, wurden aber mit Humor genommen. Andere Mütter hatten auch schöne Töchter. Und so wurde das nächste weibliche Geschöpf angetanzt. Monetärtechnisch gesehen, hatten es die Jungs eindeutig schwerer. Ich könnte mich nicht erinnern, jemals einen Schilling in ein Bacardi Cola investiert zu haben. Die jungen Männer kalkulierten dennoch richtig. Es lohnte sich für sie allemal. Kaum einer ging ungeküsst nach Hause. Mit etwas Glück sogar mit seiner neuen Bekanntschaft.

Wobei das „neu“ relativ gesehen werden musste. In unserem Ort kannte jeder jeden und so hielt sich das Novum in Grenzen. Gewisse weibliche Wesen schmusten dennoch alles an, was bei Drei die Disco nicht fluchtartig verlassen hatte. Wobei sie selten bis nie Probleme mit Grenzüberschreitungen hatten. Dafür sorgten die Türsteher. Die Bodybuilder aus dem Nachbarort, die tagsüber in der Au, dem Leobener Freibad, ihre grillhendlmäßig angebrutzelten, muskelbepackten Astralkörper zur Schau stellten, garantierten Single-Frau keinerlei Angst vor wem oder was auch immer.

Meist genügte eine hochgezogene Augenbraue von Mister Fitness und die jungen Männer strotzten vor gutem Benehmen. Ein erster Stock mit Blick über die Tanzfläche schaffte zudem wunderbare Stalking Erlebnisse. Von 23 Uhr bis ca. 3 Uhr in der Früh dominierte Techno das Musikgeschehen. Nicht meine Welt. Aber wenn du tapfer durchhieltst, wurdest du belohnt.

32168. Wer das nicht versteht, hat die 80-er und 90-er nicht erlebt. Die Spider Murphy Gang skandalisierte Rosi im Sperrbezirk. Codo der Dritte aus der Sternenmitte düste im Sauseschritt und brachte die Liebe mit, „denn die Liebe, Liebe, Liebe, Liebe, die macht viel Spaß, viel mehr Spaß als irgendwas“. Nena steuerte 99 Luftballons bei und ab einer gewissen Uhrzeit schrien alle: Who the fuck is Alice?

Ewig hätte ich diesen Lebensstil nicht durchgestanden. Ende 1995 wurde ich erlöst.

Aber das ist wieder eine andere Geschichte …

© lavoce 2025-05-13

Genres
Humor & Satire
Moods
Komisch
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