Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, bin ich ein schwäbisches Landei. Meine Wurzeln liegen in den Tiefen eines kleinen Dorfes auf der Schwäbischen Alb. Nach der Autobahn folgen noch einige Wald, Wiese, Wald, Wald und Wiese Abschnitte, bevor man am Horizont den Kirchturm der durchaus sehenswerten Dorfkirche hervorblitzen sehen kann. Idylle pur, und nichts drumherum. Die nächste Kleinstadt ca. 20 km weiter weg, und auch hier sprechen wir in keinster Weise vom „Stadtleben“ im üblichen Sinn. Man darf mich an dieser Stelle nicht falsch verstehen, diese Ruhe und Natur haben durchaus viel für sich, und meine Kindheit dort war geprägt von vielen Abenteuern und Freiheit. Doch dazu später mehr.
Da mein Lebensmittelpunkt mittlerweile im Rheinland liegt, bin ich nicht mehr sehr oft Gast in diesem Idyll. Dieses kleine malerische Dorf auf der Ostalb, ist idyllisch auf einer leichten Anhöhe gelegen, und besteht im Großen und Ganzen aus einer sich mitten durch Dörfle windenden Hauptstraße. Entlang dieser findet man eine von den Dorfbewohnern hochgeschätzte Tankstelle mit Waschanlage- ein Hotspot an Samstag Vormittagen, wo sich doch die gesamte männliche Einwohnerschaft zum Autowaschen versammelt – im Übrigen ein schwäbisches Muss vorm Wochenende. Auch ein kleines Rathaus säumt den Weg, das allerdings nur zeitlich begrenzte Öffnungszeiten hat, und deren Erdgeschoss ganz in schwäbischer Manier einen Untermieter, in wechselnden Abständen Friseur oder Blumenlädle, beherbergt.
Sollte man also nicht bei Monis Haarmoden oder Schmidts Tankstelle am Samstag entweder das Haupthaar oder das Außen- und Innenleben des KFZs in Form bringen wollen, findet man ein Stück weiter entlang der Hauptverkehrsader einen Gasthof, der mit schmissigen Slogans wie „Hast Du zu Hause kein Bier- dann trink es hier“ das ganze Repertoire an Marketingstrategie aufgefahren hat. Ein Place-to-be für den alteingesessenen Dörfler, pflegt man doch hier die Tradition des Stammtischs in höchstem Maße. Hier wird dem armen Schwaben nicht nur ein kühles Bier serviert, sondern bei Ungnade der Gattin auch mal ein Schnitzel mit Kartoffelsalat, wahlweise der Zwiebelrostbraten mit Spätzle. Bleibt zu erwähnen, dass der Gaststätte früher auch eine Metzgerei inne hatte, die allerdings schon einige Zeit zu viel Arbeit gemacht, und Personal verschlang. So bleibt die immer leicht angesäuerte Fleischfachverkäuferin mit ihren unmissverständlichen Haaren auf den Zähnen nur noch den Herren vom Stammtisch erhalten.
Der Metzger wäre aber kein Schwabe, könnte man nicht bei Bedarf, und weil die Verwandtschaft aus dem Norden grad da ist, nicht unter der Hand unter der Theke noch die ein oder andere Hausmacher Wurst erwerben – ganz inoffiziell natürlich, und nur an ausgewählte Stammkunden. Wer dieses wunderbar urige Etablissement verlässt, kann sich auf direkte Weg gegenüber in die wirklich zauberhaft barocke Kirche begeben, um sich vom lieben Herrgott direkte Absolution nach zu viel genossener Speis und vor allem Trank abzuholen.
© Simone Büssers 2024-01-13