In Schweden ist es möglich ohne einen Anglerschein zu angeln. Sofern man die lokalen Vorschriften berücksichtigt und gegebenen Falls eine Angelkarte erwirbt, ist es so auch für Amateure möglich, wild zu Angeln. Daher ist mein dortiger Urlaub ein praktischer Anlass, erstmalig ein eigenes Angel-Set zu kaufen und anzuwenden.
Trotz leichtem Regen beginnt der Angelspaß: Der Köder kommt auf den Angelhaken, während der Kescher in Reichweite am Steg liegt. Die Angel mit beiden Händen fest im Griff, die linke Hand unten, die rechte oben; der Zeigefinger meiner rechten Hand hält die Angelschnur derweilen fixiert an den Stiel. Indes klappt meine linke Hand den Bügel um und lässt der Spule damit freien Lauf. So kommt der Haken vorsichtig hinter meine Schulter, um ihn mit Schwung auszuwerfen. Im richtigen Moment löst mein Zeigefinger hierauf die fixierte Schnur, wodurch Haken samt Köder in hohem Bogen auf den See hinausfliegen und mit einem seichten ‚Platsch‘ im Wasser landen.
Nach ein paar Sekunden ist Ruhe eingekehrt. Der Schwimmer treibt sanft auf der Wasseroberfläche und hält den Köder auf der gewünschten Höhe unter Wasser. Jetzt heißt es warten.
Vorerst tut sich nichts. Und dann – immer noch nichts. Lediglich der Regen ist zu hören, wie er langsam von oben herabprasselt; auf das Wasser im See, auf die saftigen, grünen Pflanzen darum, auf den hölzernen Steg, und die prägnanteste Version unter ihnen – auf meinen Regenschutz. Mit der geringsten Entfernung zu meinem Ohr ist es seine künstliche Beschaffenheit, die dem ausgewogen unregelmäßigem Prasseln den meisten Ausdruck verleiht. Währenddessen warten meine kalten Hände, nach wie vor um die Angel geschlungen, ganz gespannt darauf, einen leichten Zug zu erfahren. Dies wäre das Zeichen, das etwas angebissen hat.
Und so geschieht es – die Angel zuckt einmal kurz und den Schwimmer in der Ferne zieht es unter Wasser. Jetzt beginnt das gegenseitige Kräftemessen. Stück für Stück rollt sich die Angelschnur auf die Spule auf, holt den Fisch näher heran. Aber dieser wehrt sich. Und wie. Kein Wunder, denn für ihn geht es um Leben und Tod.
Die Angel krümmt sich und ächzt, von all der Stärke dieser Bestie strapaziert. Sie scheint mir kurz davor, unter der rohen Gewalt nachzugeben und zu brechen. Aber es ist ein Ende in Sicht – nach und nach schrumpfte der Abstand zueinander, der Fisch ist nun in Reichweite für den Kescher. Der Moment der Wahrheit ist erreicht, in dem sich endlich mein erwartet eindrucksvoller Fang präsentieren wird. Und so erhebt sich den aufgewühlten Wassermassen jener Fisch, der diesen unerbittlichen Kampf lieferte: ein schmächtiger, kleiner Barsch, gerade einmal zehn Zentimeter lang.
Doch auch wenn der schlussendliche Fang ernüchternd wirkt, wiegt seine Bedeutung alles wieder auf. Denn es ist mein persönlich erster wild gefangene Fisch.
„Ein Angler steht am Seeesrand, mit der Angel in der Hand; er will fangen einen Barsch, das Wasser geht ihm bis zum … Knie.“
© Philipp Walden 2021-06-30