Der Mond strahlt beim riesigen Altbaufenster hinein, die Müllverbrennungsanlage von Spittelau funkelt prächtig – sie ist eine bessere Version des Eiffelturms. Alle 15 Minuten bebt der Boden des Wohnzimmers leicht, der D-Wagen fährt zu späteren Stunde nicht mehr so oft. Zwei Kunstwerke zieren die Wand. Ein knallbunter Buddha mit klarer Message: “Let that shit go”. Und ein seltenes Exemplar von “Apocalypse Meow”. Es handelt vom Weltuntergang New Yorks, die Szene zeigt Katzen mit Laserstrahlaugen, die gegen Einhörner kämpfen. Für dieses Meisterwerk wurde schon einiges geboten, der stolze Besitzer und Gastgeber würde es aber um keinen Preis verkaufen. Aus der Stereoanlage ertönt Kreiml & Samurai. Manch ein Gast würde lieber schon “Festl gestan” von den Vammumtn hören, dafür ist es aber noch zu früh.
“Ah, heut ist Donnerstag. Nix mit Loco.” Ein Besuch der Kultdisco Loco ist nur Montag und Mittwoch lohnenswert. Ab 19 Uhr gibt es dort Cocktails zum unschlagbaren Preis von 50 Cent – die ganze erste Stunde. Eigentlich fühlt man sich dafür schon zu reif, trotzdem wird gerade von den “guten alten Loco-Zeiten” des Studiumanfangs geschwärmt.
Die Gang ist endlich komplett, der Esszimmertisch wird für Rage Cage umgebaut. Bier Pong ist schon lange out. Die Stimmung ist feuchtfröhlich. Auf der Couch wird Gin Tonic geschlürft, statt Eiswürfel schwimmen bunte gefrorene Früchte im Glas. Man beobachtet das Rage Cage Spektakel oder philosophiert über Gott, die Welt und den Klimawandel.
Die Gruppe überlegt, ob es sich lohnt, noch einen “Gürtel-Ziaga” zu machen. Man könnte auch in der “Hood” bleiben und einen Abstecher ins “La Paz” machen – the place to be, wenn man sich die besten Mochitos Wiens gönnen möchte. Für das Wort Stammgast ist es noch zu früh, in letzter Zeit wurde man jedoch öfters dort gesichtet.
Aber eigentlich ist es gmitalich da. Man entscheidet sich stattdessen dafür, das Licht abzudrehen, die Disco-Glühbirne zu aktivieren, die Anlage etwas lauter zu machen – nicht zu laut, weil die freundliche Nachbarin kein Problem mit Hauspartys hat, sie mag es nur nicht, wenn sie die Bässe auf ihrer Brust spürt – und zu shaken. Zu Avril Lavigne, Shakira, Wanda und – finally – den Vamummtn.
Die Vamummtn, über die man sich damals 2008 lächerlich gemacht hat, weil man sich der Krocha Kultur nicht zugehörig gefühlt hat. Jetzt haben sie in dieser Gruppe Kultstatus erreicht. Da können die Backstreet Boys weit nicht mithalten.
Bei Rage Cage werden so einige “Hüsn weggschwoabt”, man ist gut drauf, übertreibt es im Regelfall allerdings nicht. Mindestens eine “Rangelei” gehört auch zu solchen Abenden. Keine Sorge, das wird als Form von Zuneigung verstanden.
Zwischen 1 und 2 Uhr, wenn die Vorräte zur Neige gehen, geht es auf zur “Gerti”. Das Beisl befindet sich so nah, dass nicht einmal ein Wegbier notwendig ist. Hier lässt man einen erfolgreichen Abend ausklingen und lernt oft neue Wiener Originale kennen.
Schön ist es, das Leben eines Gürteltiers.
© Astrid Holzinger 2020-03-14