EIN GARTEN … ZUR SCHAU VERKOMMEN

Otto Köhlmeier

by Otto Köhlmeier

Story

Es traf sich bestens. Nachdem ich in den 70er- und 80er-Jahren zu Studienzwecken ein paar Mal in der DDR war, seit der Wiedervereinigung aber nicht mehr im Osten des Landes verweilte, kam sie gerade recht, die Bundesgartenschau 1995 in Cottbus.

Ich kannte Cottbus nicht. Meine Studienaufenthalte in den 70ern und 80ern beschränkten sich auf Berlin-Ost. Eine Fahrt ins Umland – auch wenn Cottbus gerade mal etwas mehr als hundert Kilometer entfernt lag – war vonseiten der Obrigkeit nicht erwünscht und meinerseits nicht unbedingt für erstrebenswert erachtet worden.

Als ich rund zwanzig Jahre nach meinen letzten Aufenthalten im Osten wieder kam, diesmal nach Cottbus, schien sich nicht viel verändert zu haben in der ehemaligen DDR, die nun zur BRD geworden war. Da gab es – wie in vielen ostdeutschen Städten – ein paar interessante historische Bauten, die den Krieg überstanden hatten. Aber da gab es auch jede Menge Schandflecke der DDR-Architektur: Plattenbauten, schnell hochgezogene Häuser mit zehn und mehr Stockwerken inmitten der Innenstadt.

Was mich aber mehr noch störte als diese Bausünden im urbanen Bereich, das war das, was mir als deutsche Bundesgartenschau 1995 präsentiert wurde, das war die Zerstörung gar vieler Flächen im Cottbuser Grünraum. Unter dem Deckmantel „Gartenschau“ wurde ich erschlagen von Superlativen. Da gab es nichts mehr, was natürlich gewachsen wäre. Nichts Sinnliches mehr. Nichts, was mir Platz gelassen hätte, zu träumen, zu fantasieren. Da war alles gestutzt, geschniegelt, getrimmt, künstlich in Form gebracht. Überdimensional. Unter dem Motto „größer, noch größer, am größten.” Als gäbe es einen Wettkampf der Giganten, als stünde Deutschland im grünen Wettstreit mit England oder Frankreich, so pompös schien alles. Kilometerlange, mit Lineal und Wasserwaage gestutzte, Thujenhecken. Riesengroße Rasenflächen, in denen jedes einzelne Gräschen auf den Millimeter genau zurechtgeschnitten. Riesige Hallen, in denen hunderte von Ausstellern ihre Produkte zeigten und vorführten. Von Samen und Knollen, dem allerbesten Rasenvertikulierer, hochwertigen Besprenkelungsanlagen bis hin zum Unkrautvernichtungsmittel, das garantiert wirkt, wurde marktschreierisch so ziemlich alles angeboten, was man sich nur vorstellen kann.

Ich kam in Erwartung von stillen Parks, von anmutenden Gärten, von fantasievollen Orten, von einem spannenden Mix an Grünflächen, Blühräumen, Wasseroasen. Was ich fand, waren tote Flächen, für die bestimmt zahlreiche Biotope und Feuchtwiesen sterben mussten. Ich fand künstliche Grünräume mit Massen von Menschen, die sich wie Touristen durch die Alleen drängten oder gar mit der Schmalspurbahn durch die Anlage reisten und da ein „hübsch” und dort ein „süß” hinwarfen.

Und mir wurde klar: Garten ist nicht Garten. Und wusste sie in der Folge umso mehr zu schätzen, die paar Quadratmeter, die mir rund um unser Haus blieben, meine eigene kleine Gartenschau.

© Otto Köhlmeier 2021-04-09

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