Ein halbes Jahr kein Beitrag. Meinem virtuellen Wohnzimmer. Ein halbes Jahr Sprachlosigkeit, wo sonst Worte meine Stärke ist. Emotionen in Worte einbetten, das kann ich. Das liegt mir. Das hilft mir zu verarbeiten. Schon immer. Und nicht einmal das gelang mehr im letzten halben Jahr. Sprachlosigkeit, Leere, Diagnose.
Schwere Depression. Burnout.
Ich? Wie kann das sein?
Wieder dieser Widerspruch: Von Emotionen überwältigt und gleichzeitig vollkommene Leere. Ich, die immer vor Aktionismus sprüht. Ich, die immer alles irgendwie hinbekommt. Ich, die sich herauskämpft aus allem. Ich, die nicht mehr konnte. Ich, die nicht mehr kann.
Dunkelheit. In mir. Nächtelang. Tagelang. Kaum Schlaf. Gedanken kreisen. Mitleid mit mir selbst. Verachtung vor mir selbst. Wieso? Warum bekomme ich nichts mehr auf die Reihe? Zumindest nicht mehr so wie sonst. Warum ist es nur noch Funktionieren? Warum empfinde ich kaum noch Freude? Es gibt Tage, an denen ich mich frage, worin eigentlich der Sinn des Aufstehens besteht. Des Aufwachens.
Ich lasse kaum noch Menschen an mich heran. Treffe mich mit genau nur noch zwei Familien. Alles andere ist mir zuviel. Zuviel Worte, zuviel Belanglosigkeit. Ich ertrage keine Belanglosigkeiten mehr. Ich kann nur noch extreme Emotionen fühlen. Tränen vergieße ich nur noch selten. Zu groß ist die Leere. Hilfe ist schwer zu finden. Therapieplätze gibt es nur mit sehr langen Wartezeiten. Medikamentös eingestellt bin ich. Aber das bekämpft die Ursache nicht. Es drückt. Meine Empfindungen. Es soll die Leere weniger leer machen. Aber es bekämpft die Ursache nicht. Ich fühle mich wie eine Ertrinkende, aber gehe nicht ganz unter.
Es gibt gute Tage. An denen ich ein, zwei Aufgaben erledigen kann. An denen ich mit meiner Familie in die Stadt gehe, an denen ich laufe und die Luft in mir aufsauge. An denen ich – wie heute – sogar zwei Blogartikel schreiben konnte.
Und es gibt schlechte Tage. An denen allein das Haarewaschen für mich eine nicht zu bewältigende Aufgabe ist. An denen ich nicht vom Bett oder dem Sofa hochkomme. An denen ich stundenlang da sitze ohne irgendetwas zu empfinden. Ich habe gelernt, dass ein „Du machst das schon“ oder ein Schulterklopfen nicht helfen. Denn dies ist ein Weg. Den ich gehen muss. Ein sehr langer Weg. Ein Freund sagte mir, eines Tages wird sich das Glaslabyrinth auflösen und Schokolade wird wieder wie Schokolade schmecken. Darauf hoffe ich. Darauf baue ich. Und gehe jeden Schritt zwischen jetzt und irgendwann. Jeder einzelne kleine Schritt vorwärts wird mich aus diesem schwarzen Strudel befreien. Und auf dem Weg dahin hoffe ich, dass ich vielen Verbündeten und neuen Freunden begegnen werde. Und ich wünsche mir, dass Worte wieder wie Worte sprudeln. Dass das, was ich wirklich kann, wieder gelingt. Also verzeiht emotionale Ausbrüche oder Leere. Es ist mein virtuelles Wohnzimmer und es wurde Zeit, dass ich euch einen Einblick gewähre. Vielleicht ist das ja schon ein erster wichtiger Schritt.
© Mama_Nisla_rockt 2020-12-04