Oktober: Gründe gesucht, Gründe gefunden- Vieles verdrängt, wird schon überwunden. Versuch mich zu lösen, von den Zwängen und Ängsten, die mich laufend verfolgen, wie nachts die dunklen Gespenster. Habe immer versucht, darüber zu sprechen, doch hab das Gefühl, ich werde an den Worten zerbrechen.
November: Es wurde ein Stück besser, so soll es auch sein, doch auch im November, fall ich wieder hinein. Hinein in das Loch, was ich mir selber grub, in die tiefe Dunkelheit, ich verlor meinen Mut. Die Worte von Außen, liebevoll und auch schön, doch leider kann ich irgendwie das Schöne nicht sehn´. Was stimmt nicht mit mir- was ist denn bloß los? Was soll ich hier? Meine Ängste sind groß. Die Ängste, nicht genug zu sein, ich falle wieder und wieder hinein.
Dezember: Der Himmel grau und mir ist kalt, fahre wieder zu dir, denke, du gibst mir Halt Doch all deine Worte-sind bloß gelogen, ich dachte immer, mit dir, wäre ich so gerne geflogen. Langsam aber sicher, spüre ich, das ist nicht wahr, nehme mir wieder mal vor, ich komme nicht wieder- im Januar. Dann, als ich dachte, der Winter ist kalt genug, nahm mir die eisige Kälte auch noch meinen letzten Mut. Denn sie nahm mir ein großes Stück meines Lebens, ich versuche, klarzukommen, aber schaffs´ nicht- vergebens.
Ich schließe das Buch und werfe es auf den Couchtisch, lege beide Hände über meine Augen. Tränen fließen über mein Gesicht, dicke, salzige, traurige Tränen.
Ich bin erschrocken, mir wurde bewusst, dass all der Schmerz, der in diesen Zeilen steckt, mein Schmerz ist, dass ich alles, all diese Geschichten so sehr verdrängt habe, dass ich weit davor weggelaufen bin, dass ich nie gesprochen habe. Ich war so hart zu mir in den letzten Wochen und Monaten, dass ich vergessen habe, wie stark ich sein kann, wie stark ich bin. Ich war für alle da, außer für mich, ich habe mich verloren, mich vergessen.
Ich denke an das Gespräch mit Maya gestern und beschließe, ihren Rat zu befolgen. Es ist ein Samstagmorgen im Mai und ich öffne meine Balkontür, frischer Frühlingsduft steigt in meine Nase und die feinen Sonnenstrahlen kitzeln mein Gesicht. Ich bin bereit, bereit für mich da zu sein, ich bin bereit zu sprechen.
Ich stelle mich neben die Angst, die mich warnt, dass ich daran zerbrechen könnte, wenn ich alles erneut Revue passieren lasse und flüstere leise: „Nur redenden Menschen kann geholfen werden. Hab keine Angst, ich bin da- für dich- für mich. Wir schaffen das!“ Ich beginne, jede Geschichte erneut zu betrachten, aus einer anderen Perspektive, während ich versuche, mir mit Zuversicht zu begegnen und für mich da zu sein. Und ich springe zum 23. Januar.
Als ich fertig bin, fühle ich mich so unglaublich befreit. Und ich schreibe:
Du kannst dein Leuchten nicht sehen, wenn du es dir selber verwehrst, du kannst die Schönheit der Welt nicht verstehen, wenn du dir alles erschwerst. Aber schau mal auf dich, auf deinen Weg, das hast DU alles geschafft, du bist schön wie du bist- und Akzeptanz ist und bleibt eine Superkraft.
© Sarah Angelmahr 2022-09-01