Ein Kind ward uns geboren ….

Christa Weißmayer

by Christa Weißmayer

Story

Eine drückend schwüle Julinacht schenkte kaum erholsamen Schlaf. Die gewaltigen Häuserschluchten der Großstadt gaben ihre tagsüber gespeicherte Wärme nur langsam ab. Bereits die ersten morgendlichen Sonnenstrahlen kündigten den nächsten Hitzetag infolge an. Die Menschen krochen kraftlos aus ihren Betonburgen und hasteten in unerträglichem Verkehrslärm müde ihrem Tagewerk entgegen. Mein Blick fiel minütlich auf das Handy, in der Hoffnung, ich könnte dadurch die Zeit veranlassen, sich ein wenig zu beeilen. Wir alle warteten seit Tagen sehnsüchtig auf dich. Endlich erschien die erlösende Nachricht deiner Geburt. Als dein Vater dich in meine Arme legte, fehlten mir die Worte, um meine Gefühle zu beschreiben. Freudentränen in meinen Augen hießen dich auf unserer schönen Erde willkommen. In diesem magischen Moment verlor alles andere an Bedeutung. Es gab nur dich, mein bezauberndes Enkelkind.

Obwohl auf dem Weg zum Bahnhof die Sonne unbarmherzig vom wolkenlosen Firmament brannte, fühlte sich die Hitze nun angenehm an. Sie wärmte im Herzen. Ein paar freundliche Gesichter teilten das Zugabteil mit mir, um bei den nächsten Stationen wortlos ihrer Wege zu gehen. Ganz alleine begab ich mich auf eine Reise in die Leichtigkeit des Seins, die die Welt in ein Lächeln kleidete. Das monotone Rattern des Zuges ging in rhythmische, swingende Klänge über. Die Räder tanzten in federnder Mühelosigkeit auf den in der flirrenden Luft glänzenden Schienen. Eine nach Regen dürstende Landschaft zog sanft an den Fenstern vorbei, im Wissen, bald würde der Himmel das erlösende Nass freigeben.
Auf dem Nachhauseweg leitete ein Verkehrsschild die Fahrzeuge in andere Straßen um. Ich ging die verlassene Landstraße entlang. Nichts störte die abendliche Ruhe. Es war still und friedlich. Selbst meine eigenen Schritte waren kaum zu hören. Ich nahm nur meinen vor Freude pulsierenden Herzschlag beim Gedanken an dich wahr. Keine einzige Menschenseele begegnete mir. Ich konnte mit niemandem das unbeschreiblich Schöne teilen. Am Wegesrand rastete eine freche Schar Spatzen. Beim Näherkommen flogen sie über mich hinweg in alle Himmelsrichtungen davon. Ich bat sie, die frohe Kunde, mein Enkelkind war geboren, in die ganze Welt hinauszutragen. Sie mögen von allen Dächern freudig vom großen Glück, vom Wunder des neuen Lebens, vom Geschenk des Himmels zwitschern.

Eine golden schimmernde Sonne wanderte ihrem Ziel am Horizont langsam entgegen und verabschiedete sich für heute. Mein Garten begrüßte mich in froher Erwartung. Die Pflanzen lechzten nach Feuchtigkeit. Behutsam goss ich das kühle Nass auf die Stängel, schonte die noch warmen Blätter. Rasch versickerte das Wasser im ausgetrockneten Boden, drang bis zu den Wurzeln vor, um neue Kraft zu schenken. Ich hielt den Wasserschlauch hoch in die Luft. Die einzelnen Tropfen tanzten über meinem Kopf und spendeten ein wenig Kühlung. Vor dem alten Nussbaum baute sich im Wasserstrahl ein herrlich bunter Regenbogen auf. Die untergehende Sonne spiegelte sich darin in schillernden Farben. Die Sehnsucht nach Unendlichkeit erfüllte sich beinahe.


© Christa Weißmayer 2021-11-30

Hashtags