„Irgendwann wird alles einen Sinn ergeben“, schrieb Ava nieder. In reizüberfluteten Momenten, immer wenn Ava dazu neigt, in ungesunde Schemata zu verfallen, versucht sie wieder und wieder Erklärungen für doch eigentlich unerklärbare Dinge zu finden. Orientieren tut sie sich dabei manchmal an dem Gedanken, dass das Leben quasi wie ein Puzzle ist, das sich nach und nach vollständig zusammen setzt. Einzelne Puzzleteile, Phasen im Leben, Verluste.. ergeben lange keinen Sinn, weil ihnen der Teil daneben fehlt. Oft sucht man manchmal sogar bis zum Schluss noch nach diesem einen Puzzleteil, ohne welches das Gesamtbild sinnlos erscheint. „Dabei bleibt das trotzdem irgendwie Ansichtssache“, schrieb Ava auf. „Denn auch wenn ein Teil fehlt, kann man oftmals trotzdem das Gesamtbild erkennen“, fügte sie hinzu. Die Lücke im Ganzen bleibt, aber warum diese Lücke als etwas Fehlendes betrachten, wenn man die Chance geboten bekommt, diesen Teil neu zu bestimmen. Einen eigenen, neuen Sinn zu erschaffen. Ava sucht da den Bezug zu ihrem Leben. Nach dem Tod von Steven versucht sie seit bald neun Jahren alles um diese Leere, die er hinterließ, herum aufzubauen. Ein Puzzlestück fehlt. Ava hat es nicht bloß verlegt und im Hinterkopf den Gedanken, dass sie es früher oder später schon wieder finden wird. Sie hat es verloren. Dem ist sie sich bewusst. Dieser Verlust wird also für immer eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielen und das Bewusstsein dafür zu entwickeln ist zugegebenermaßen ein großer Schritt. Ein wichtiger Schritt, der ihr hilft, dieser Lücke ihren Raum zu lassen. Sie lernen zu akzeptieren und als etwas Beständiges anzunehmen.
Im Grunde ist das Leben also ähnlich wie ein simples Spiel mit der Aufgabe, zu jeder Zeit mit dem zu arbeiten, was man zur Verfügung hat und dabei wahllos darauf zu vertrauen, dass wer auch immer sich all das ausgedacht hat, eine Bestimmung in all dem sah. Sprichwörter besagen zudem, dass die Seele eines jeden sich ihr Leben eigenständig ausgesucht hat. Eine bewusste Entscheidung für all die schönen, aber auch die unschönen Momente. Für jede Träne, jeden Verlust, jede Lektion im Leben. „Irgendwie beruhigt mich dieser Gedanke ja schon ein wenig“, schrieb Ava auf. Es fasziniert sie schon fast ein bisschen, wie viel Mut wohl irgendwo in ihr stecken muss, sich für ein Leben wie ihres zu entscheiden, welches doch oftmals von so vielen Schattenseiten getrübt wird. „Doch wo ein Schatten ist, da muss auch Licht sein“. Ganz nach Stevens Motto, es gäbe keine Probleme, sondern nur Lösungen.
„Papa lehrte mir in so jungen Jahren bereits die Selbstständigkeit, als hätte er gespürt, ich würde früher als gedacht darauf angewiesen und auf mich selbst gestellt sein“, schrieb Ava auf. „Als hätte er vorsorgen wollen, um mit ruhigen Gewissen Abschied nehmen zu können“. Suspekter Gedanke, dennoch auf eine merkwürdige Art herzerwärmend, wie Ava ihren Vater in sich selbst wiedererkennt und er so in ihr weiter lebt.
© Jessica Donnelly 2022-08-29