Ein schöner Rücken kann auch entzücken

Iolit

by Iolit

Story

“Sitz gerade! Gib die Schultern zurück!“ Wer kennt sie nicht diese Sätze? Fast jeder Mensch hat, als Kind, diese Aufforderungen etliche Male gehört. So auch ich. Nur dass es für mich ein Ding der Unmöglichkeit war diesen nachzukommen. Ich spannte meine Muskeln an und gab mein Bestes damit sich mein Rücken aufrichtete. Doch mein Körper konnte nicht anders. Wie bei einem überdehnten Gummiband musste er wieder zu seiner Ausgangsposition zurück. Von klein auf bekam ich Physiotherapie. Täglich absolvierte ich unter größter Anstrengung meine Übungen. stets gedrängt von meiner Mutter an mein Limit zu gehen.

Im Kindergarten bekam ich ein Mieder in das mein Oberkörper hineingezwängt wurde. Sogar mein Hals wurde in die korrekte Position gezwungen. Ich selbst kann mich nicht erinnern, aber es gibt ein Video von mir. Als ca. dreijährige versuche ich zusammen mit anderen Kindern am Sofa zu hüpfen. Als ich umfiel hievte mich meine Mutter wieder auf die Beine. Keine sehr spaßige Vorstellung!

Mit den Jahren wurde die Situation allerdings schlechter statt besser. Mein Rücken kippte stätig nach vorne. Wie sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte nicht mehr gerade sitzen. Ein weiteres Brustkorb-Mieder folgte. Ich tat mir schwer beim Atmen. Es scheuerte und drückte. Es sperrte mich ein und zerquetschte mich. In mir herrschte ein ständiger Kampf zwischen dem Wunsch das Mieder von mir zu reißen und dem es noch enger zu schnüren, in der Hoffnung, dass es mich auf“richtete“

Doch es half nichts. Mein Rücken beugte sich unaufhörlich nach vorne.

Mit 10 Jahren brachte mich meine Mutter mal wieder zu einem Arzt. Er versicherte uns, dass mein Zustand bedauerlich, jedoch stabil war. Kein Handlungsbedarf.

Doch das glaubte meine Mutter nicht. Ein halbes Jahr später suchten wir einen neuen Arzt auf.

Der bestätigte: Der Hut brennt! Wenn man nicht bald handelte, würde meine Wirbelsäule (WS) sich weiter krümmen und schließlich mein Rückenmark durchtrennen.

Die Suche nach einem geeigneten Chirurgen führte uns durch Österreich, Deutschland und in die USA. Einige Ärzte lehnten uns ab. Sie trauten es sich nicht zu, diesen Eingriff durchzuführen. Fündig wurden wir schließlich in der Schweiz. Der Mann dort stellte uns eine Methode vor, mithilfe der er meine WS aufrichten und stabilisieren konnte.

Die Möglichkeit, dass während der Operation etwas passierte und ich dann dennoch Querschnittsgelähmt sein würde, war allerdings sehr hoch.

Ich vertraute dem Urteilsvermögen meiner Mutter und willigte in den Eingriff ein.

Ein halbes Jahr wartete ich auf den Termin, der mein gesamtes Leben verändern sollte. Ob ins Positive oder ins Negative war ungewiss. Was in dieser Zeit in mir vorging würde allerdings jetzt den Rahmen sprengen.

Der Arzt verließ den Raum in dem er 11 Stunden ohne Unterbrechung gearbeitet hatte.

Er hatte seinen Job mehr als gut gemacht. Mein größter Dank gilt seinem Talent, seinen Mut und seinem Durchhaltevermögen.

© Iolit 2020-10-15

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