Der Tod macht mir Angst. Nicht mein eigener Tod, sondern der von einer geliebten Person. Mein ganzes Leben schon verdränge ich diesen Gedanken. Ich würde meinen Tod bevorzugen, bevor ich den eines geliebten Menschen erleben müsste. Ich weiß, das ist egoistisch gegenüber denen, die mich lieben. Aber das Leid, das damit kommt, daran würde ich zerbrechen.
Mein Kopf dröhnt. Dumpf höre ich Menschenstimmen. Jemand leuchtet mir mit einer Taschenlampe ins Gesicht. Meine Augen tun weh. Ich drehe den Kopf zur Seite. Die Kälte des nassen Asphalts dringt durch meine Kleidung in meinen Körper. Überall sehe ich Blauchlicht. Menschen, die geschäftig hin und her rennen. Jemand spricht mit mir, doch ich verstehe kein Wort. Zu laut pulsiert mein Blut in den Ohren, ein Rauschen, dass sich tief in mein Gehirn frisst. Langsam spüre ich meinen Körper. Den Schmerz in meinen Gliedmaßen. Ich drehe meinen Kopf zur anderen Seite. Dort liegt ein Auto im Graben. Etwas weiter liegt ein weißer Sprinter auf der Seite. Dann lichtet sich der Nebel langsam in meinem Kopf. Wir saßen im Auto, waren auf dem Heimweg. Da bemerkten wir ein Scheinwerferlicht, das viel zu schnell auf uns zukam. Ich schrie noch laut auf und sah zu meinem Mann rüber, der noch versuchte zu bremsen und dem Licht auszuweichen. Dann war Stille. Mein Mann. Wo war er? Ich wurde unruhig. Wollte mich aufsetzten, doch die Frau über mir drückte mich wieder zu Boden. Jetzt betäubte mich nicht die Kälte. Angst breitete sich in meinem Körper aus. Pure, nackte Angst. Ich versuchte mich zu drehen. Suchte mit meinen Augen die Umgebung ab, bis ich ihn sah. Er lag nur wenige Meter von mir entfernt. Seine helle Brust war freigelegt und das blaue Licht gab ihm ein gespenstisches Aussehen. Ein Mann kniete neben ihm und drückte fest auf seinen Brustkorb. Ein weiterer legte ihm immer wieder eine Maske über Mund und Nase. In diesem Moment spürte ich die tiefe Angst des Todes in mir hochkommen. Mein Brustkorb schnürte sich zu. Tränen verwischten mir die Sicht. Ich versuchte zu schreien aber kein Laut verließ meinen Mund. Plötzlich hörten alle auf mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. Ich wollte sie anschreien weiter zu machen. Sie durften nicht aufhören. Er durfte mich nicht verlassen. Die Rettungskräfte standen auf, betroffen entfernten sie sich von ihm, einer legte die Rettungsdecke über sein Gesicht. Schwarze Stiefel und rote Hosenbeine tauchten vor meinen Augen auf. Man redete mit mir, legte mir Sachen an, gab mir eine Spritze und letztendlich wurde ich auf eine Trage gehoben. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm losreißen, erst als die Tür des Rettungswagens zuging. Dann viel ich in ein tiefes Loch.
Tage vergingen. Meine körperlichen Wunden heilten langsam, die Ärzte freuten sich über meine Genesung. Doch auch wenn ich äußerlich heilte, innen war eine Wunde entstanden, die niemand sah. Aus meinem Krankenhausbett sah ich hinter den Vorhängen die Sonne auf und untergehen. Jedes Mal hoffte ich, dass sie beim Gehen meinen Schmerz mitnahm aber es passierte nie. Eines Tages verließ ich das Krankenhaus wieder. Ich kehrte dahin zurück was mal mein zu Hause war. Stille umgab mich tagein tagaus. Die Trauer nahm mich komplett ein. Mein mir liebster Mensch war fort und er hat alles mitgenommen. Nur ein totes Herz blieb zurück.
© Maggie Krähling 2025-01-28