Ein Trojaner (nicht nur) im Laptop?

Theodor Leonhard

by Theodor Leonhard

Story
2025

“Rechtschreibfehler!” Unerbittlich unterstreicht oder unterkringelt das Rechtschreibprogramm mein Wort mit roter Farbe. Nicht blau. Im blauen Fall wäre es vielleicht noch eine Stilfrage, ob ich das Wort genau so schreibe, wie ich es gerade dem Laptop angeboten habe. Dann wäre es vielleicht sogar der Ausdruck dichterischer Freiheit. Aber nein! Die eindeutige Aussage lässt sich nicht wegdiskutieren: So kannst Du und darfst Du dieses Wort nicht schreiben. Es ist falsch. Friedenstüchtig ist im deutschen Sprachgebrauch wohl nicht (mehr) problemlos vorgesehen. Gebe ich in meinem Laptop dagegen das Wort kriegstüchtig ein, dann passiert diese Formulierung ohne jede Beanstandung die Prüfung durch das Rechtschreibprogramm.

Zugegeben, es irritiert mich mehr als ein bisschen, dass “friedenstüchtig” als falsch angemahnt wird, während “kriegstüchtig” als selbstverständlich akzeptiert ist. Ich bin sehr weit davon entfernt, Verschwörungsmythen anzuhängen. Ich glaube nicht, dass irgendwo Kriegstreiber sitzen, die systematisch die Sprache auf Kriegstüchtigkeit trimmen und alles, was in Richtung Frieden geht, auszumerzen versuchen. Aber eigenartig ist es schon, dass die beiden Wörter selbst von einem Rechtschreibprogramm so unterschiedlich “interpretiert” werden.

In der Sprache drückt sich – manchmal vermutlich unbewusst – aus, was wir für richtig oder falsch halten, was wir wertschätzen oder als bedenklich ansehen. Täusche ich mich, dass es das Wort kriegstüchtig in der letzten Zeit nach ganz oben zumindest in der politischen Sprache geschafft hat? Dass diejenigen bestenfalls noch als naive “Gutmenschen” gelten, die friedenstüchtig werden und leben wollen und das auch politisch “anmahnen”, wo immer das möglich ist?

Es wäre wohl ziemlich zynisch, würde man dem ukrainischen Volk zumuten, sie sollten vor Putin einfach die Waffen strecken, um nur dieses Beispiel zu nennen. Menschen müssen das Recht haben, sich zu verteidigen. Das ist gar keine Frage. Dazu ist, so befürchte ich, auch eine gewisse “Wehrtüchtigkeit” unvermeidbar. In welchem Maß das kann ich nicht beurteilen.

Aber ich will dabei nicht, dass die Tüchtigkeit zum Frieden unter die Räder kommt. Das will ich nicht in der Sprache, noch nicht einmal in einem Rechtschreibprogramm. Das will ich vor allem nicht im tatsächlichen Leben. Wenn jemand tüchtig ist zum Frieden in seiner Familie und an seinem Arbeitsplatz, wenn jemand tüchtig ist zum Frieden in den politischen Debatten am Stammtisch oder in einem Parlament, wenn jemand tüchtig ist zum Frieden mit sich selbst, wenn jemand hin steht für den Frieden irgendwo auf der Welt, dann ist das nicht naiv, sondern einfach menschlich.

Vielleicht können mich ja die roten Kringel unter dem Wort “friedenstüchtig” dazu herausfordern, gerade dieses Wort besonders wertzuschätzen: friedenstüchtig!




© Theodor Leonhard 2025-06-27

Genres
Self-help & Life support
Moods
Herausfordernd, Reflektierend
Hashtags