Eine Hochzeitsreise

Lorenz Graf

by Lorenz Graf

Story

Wir haben an einem heißen Sommertag im Jahre 1971 im Seewinkel geheiratet. Oberösterreicher, Wiener, Steirer, Holländer genossen diesen Tag mit uns im schönen Burgenland.

Die Hochzeit feierten wir mit Verwandten und Freunden nach altem überlieferten Brauch. Standesamt, Kirche, Feier im Privathaus. Ein halbes Dutzend Köchinnen sorgten den ganzen Tag und bis in die Nacht hinein für kulinarischen Genuss. Hochzeiten waren damals noch sehr stark von ungarischen und kroatischen Traditionen geprägt.

Hochzeitsreisen waren noch kaum üblich. Meine frisch angetraute Ehefrau aber kannte schon die Gepflogenheit einer Hochzeitsreise. Sie kam ja aus einem anderen Kulturkreis, weiter im Westen Österreichs. Hochzeitsreise? Warum nicht? Zeit hatten wir ja, was aber fehlte war das nötige Geld.

Da reifte die Idee: Wir fahren zur Schwiegermutter, reisen können wir später immer noch. Ich kannte die Mutter meiner Frau wenig und noch weniger kannte ich die Gegend, in der sie wohnte, das Mühlviertel.

Ich wusste nur wenig von erfundenen, eher spaßigen Erzählungen von diesem Land jenseits der Donau, hoch im Norden Österreichs. Es soll dort hinter jedem großen Baum eine Hexe hausen und hinter mächtigen Felsblöcken der Teufel sein Unwesen treiben.

Dennoch ergab es sich, dass wir nach einer Tagesreise mit dem Zug von Wien aus in diesem Gebiet nördlich der Donau ankamen. Es war ein Glückstreffer! Die Schwiegermutter, die ist ja gar nicht böse, im Gegenteil, hat uns mit gutem Essen verwöhnt. Wir schliefen lange, schwammen an heißen Tagen im eiskalten Fluss und am Abend gingen wir tanzen. “Scheunen” und Tennen” waren damals modern und in jedem Nest zu finden.

Aber auch kreatives Werken wurde zum amüsanten Zeitvertreib. Die Schwiegermutter lernte mir Stricken. Wie es dazu kam, weiß ich nicht mehr. Aber, ich schaffte es sogar Socken mit den langen Nadeln und der Wolle zu fabrizieren. Ganz besonders betonen will ich, dass ich sogar das schwierige ”Fersenstricken” erlernte.

Aber nicht weitersagen! Damals war ein “strickende Mann” genauso unmöglich vorstellbar, wie noch kurz vorher in der Schweiz das Wahlrecht für Frauen.

Frauenstimmrecht in der Schweiz erst ab 1971, in einem Kanton erst 1990.

© Lorenz Graf 2021-01-31

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