by XenaMAbel
Es gibt hunderte Bücher, die dich durch Wien führen können, aber ich möchte eines nur für dich schreiben, angepasst an deine Interessen, aber vorrangig an meine Interessen.
Jede Runde durch Wien beginnt beim Stephansdom, oder? Es scheint unendlich viele Geschichten zu geben, die sich um ihn ranken. Du kennst mich und es wird dich nicht verwundern zu sehen, welche Geschichten ich auswähle:
Ganz vorne, rechts vom Altar befindet sich ein riesiger Sarg, indem Kaiser Friedrich III. begraben liegt. Der Sarg ist ein Kunstwerk und der Kaiser hat bereits dreißig Jahre vor seinem Tod den Auftrag dafür gegeben – dennoch wurde es erst einige Jahre nach seinem Tod fertiggestellt. 1493 verstarb er mit fast 78 Jahren, nachdem man ihm ein paar Monate zuvor ein Bein amputiert hatte. Sei aber unbesorgt, das Bein wurde konserviert und später mit ihm begraben. Herz und Eingeweide allerdings nicht, die wurden am Ort seines Todes in Linz bestattet. Doch auch hier kannst du unbesorgt sein, der Stephansdom verfügt über eine ganze Sammlung kaiserlicher Eingeweide, es fehlt daran also nicht – nur für den Fall, dass die Nähe zu blaublütigen Organen dein einzig und alleiniger Grund wäre, den Stephansdom zu besuchen. Unten im Keller, den du nur bei einer Führung durch die Katakomben besichtigen kannst, gibt es nämlich einen Raum mit einer Sammlung von wie große Kochtöpfe aussehenden Gefäßen und die enthalten überraschenderweise die Eingeweide verstorbener Habsburger.
Wie viele andere Herrscherfamilien auch, wurden die Habsburger nämlich an mehreren Orten beerdigt – die Körper in der Kapuzinergruft, die Herzen in der „Herzerlgruft“ in der Augustinerkirche und die Eingeweide eben im Stephansdom. Ich weiß, wie super seltsam das klingt, aber die eigenwillig anmutende Tradition entstand aus einer wichtigen Notwendigkeit heraus: Herrscher wurden nach dem Tode üblicherweise aufgebahrt, meist über einige Tage hinweg. Kühlschränke gab es damals noch nicht und das Wissen über Mumifizierung war noch nicht wiederentdeckt worden. Die Eingeweide zu entnehmen, ist eine gute Idee in dem Fall, da die Bakterien im Verdauungstrakt diejenigen sind, die am schnellsten den Verwesungsprozess in Gang setzen, dafür brauchen sie nicht einmal Luft. Die Gase, die dabei entstehen, sind hingegen Luft raubend und können so eine Aufbahrung zu einem Alptraum werden lassen.
Also für den Fall, dass du mal eine Notfall-Einbalsamierung durchführen musst, merke dir: Entferne als Erstes die inneren Organe. Desinfiziere danach den Körper innen und außen (zum Beispiel mit Alkohol). Trockne den Körper, indem du ihn mit Asche, Sand oder trockenem Pflanzenmaterial füllst. Voilà – du hast eine schöne Leiche, was uns Wienern ja bekanntlich unheimlich wichtig ist. Ich nehme an, mit dem Wissen kommst du locker durch die nächste Expedition in einer post-apokalyptischen Welt ohne Abstriche bei der Leichenfeier machen zu müssen. Lehrauftrag erfüllt.
© XenaMAbel 2024-03-07