Als sich unser Institut noch am Judenplatz befand, bin ich ab dem Jahr 1982 bei schönem Wetter bisweilen die 12 km von Siebenhirten mit dem Radl ins Zentrum gefahren. Wirklich angenehm war das aber nicht, sondern sogar ziemlich riskant. Damals galten im Wiener Straßenverkehr Radlfahrer als Exoten und Radwege waren so gut wie unbekannt. Die größte Herausforderung war die Triester Straße und hier vor allem der Wienerberg: Über holpriges Kopfsteinpflaster strampelte ich mühsam hinauf bis zum Philips-Haus während der Autoverkehr buchstäblich hautnah an mir vorüberschepperte, wobei es den Fahrern anscheinend wichtiger war, die nutzlos gewordenen Straßenbahnschienen zu meiden, als beim Überholen den seitlichen Mindestabstand einzuhalten.
War ich dann endlich oben bei der Spinnerin am Kreuz angekommen, konnte ich zwar körperlich verschnaufen, denn von nun an ging es bis zum Matzleinsdorfer Platz abwärts, doch jetzt lauerte eine andere Gefahr: Von da an düste ich nämlich mit fast 50 km/h in der ersten Spur hinunter und vertraute darauf, dass ich beim Vorbeifahren an parkenden Autos in die Kolonne gelassen würde. Das allerdings erwies sich in der Regel als lebensgefährliches Unterfangen. Doch mit Glück und Gottvertrauen hatte ich jedes Mal auch die Talfahrt überlebt. Innerhalb des Gürtels war ich dann meist fast so schnell, wie die Autos und das war dann endlich halbwegs sicher.
Der Hauptgrund der Gefahr bestand darin, dass ich als Radlfahrer in der Regel nicht in der Kolonne fahren konnte, weil die Autofahrer alles daransetzten, mich als Eindringling so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Ich glaubte dass ein Motorroller hier die Lösung brächte. Kein Moped, sondern ein Gerät mit Motorradzulassung und so kaufte ich mir im Jahr 1989 einen Suzuki GS125-Roller. Ideal für den Stadtverkehr und mit einer Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h auch durchaus tauglich für Überlandfahrten. Tatsächlich erwies sich das Fahrzeug als weitaus sicherer und kurze Zeit später wurde endlich auch die Triester Straße im Bereich der Wienerberg-Gründe saniert. Jährlich von Mai bis Oktober fuhr ich nun bis 1993 mit dem Roller ins Institut bis man sich nicht mehr an stillstehenden Kolonnen vorbeizwicken durfte (§ 12 Absatz 5 StVO). Zwar hält sich bis heute kaum ein Motorradfahrer an diese Vorschrift, doch mir wurde so das Rollerfahren zu Stoßzeiten ordentlich vermiest, sodass ich bis zur Pension wieder auf Öffis umstieg. Meinen Roller brachte ich zum Zweitwohnsitz ins Waldviertel, wo er nur mehr als Spaß- und Erholungsfahrzeug diente.
Als ich schließlich 2007 feststellte, dass Ausfahrten nur noch angenehm waren, wenn ich bei schönem Wetter mit max 60 km/h und offenem Visier unterwegs war, dies jedoch nur noch jährlich 2 bis 3mal vorkam, erfolgte die Trennung. Zwar fiel mir der Abschied schwer, doch war ich froh, das Fahrzeug noch mit gutem Gewissen verkaufen zu können. Und ich war um viele wertvolle Erfahrungen reicher geworden.
© Klaus Schedler 2020-02-11