Endlich wieder Schreiben. Stressige Monate mit unsicherem Job und Auseinandersetzungen mit dem Vermieter stecken mir noch immer in den Knochen. Doch heute ist ein schöner Frühlingstag. Ich habe frei und endlich wieder mal Zeit für mich. Endlich wieder Zeit für meine Leidenschaft, nach der ich mich die letzten Monate so gesehnt habe. Keine nervigen Meetings oder dröge Excel-Aufgaben klauen mir meine wertvolle Lebenszeit. Habe endlich wieder die Freiheit, meine Kreativität und meinen Geist frei träumen zu lassen. Mich aus den Zwängen des fantasielosen Großstadtalltags zu befreien. Keine sozialen Verpflichtungen stehen heute an. Die Sonne scheint durch das offene Fenster hinein, das Zwitschern der Vögel entspannt mich. Eine Grundvoraussetzung, damit meine Gedanken frei wandern können. Damit sie sich in den Tasten meines Laptops in Form von wunderbaren Geschichten fernab aller realen Probleme manifestieren können. Damit ich am Ende des Tages dieses wundervolle Gefühl habe, wirklich etwas Wichtiges geschafft zu haben. Ein Stück von mir und meiner Seele festgehalten und niedergeschrieben zu haben. Mit meinen Gedanken vielleicht andere zum Träumen angeregt zu haben. Sie aus ihrem stressigen Alltag in die wundervolle Welt der Fantasie überführt zu haben.
Endlich wieder Schreiben denke ich und wippe ungeduldig mit dem rechten Bein auf und ab. Die Word Datei strahlt mich im grellem Weiß kalt an, ich starre zurück. Verliere die Nerven und das Blickduell. Bin zu unkreativ geworden. Lese mir online Kurzgeschichten durch, um das Verhältnis zum geschriebenen Wort wieder zu kitten. Mich zu erinnern, was für schöne Zeiten wir doch hatten – vor der Schreibblockade. Vor dem Tag X, an dem mich die Realität auf brutale Weise in Form eines leeren Bankkontos und überfälliger Miete einholte. Überfliege unzählige Geschichten in kürzester Zeit und trommle mit dem Zeigefinger in einem undeutlichen Rhythmus auf den Schreibtisch. Ein unangenehmes Gefühl der Unruhe kriecht von meinem Bauch bis hinauf zum Brustkorb und von dort explosionsartig in meine Arme und Beine. Schieße wie von der Tarantel gestochen aus meinem Stuhl und gehe in die Küche.
Trinke ein Glas kühles Wasser und bemerke wie dreckig der Herd eigentlich ist. Und nicht nur das. Der gesamte Küchenputz wurde von mir in den letzten Monaten beinahe so sehr vernachlässigt wie das Schreiben.
Bewaffne mich mit Schwamm und Lappen und beginne meine epische Schlacht gegen den Küchenschmutz. Ein hartnäckiger Kampf beginnt. Schon nach kurzer Zeit treibt mir mein niederträchtiger Gegner den Schweiß auf die Stirn. Doch es geht voran! Ehe ich mich versehe, stehe ich schwitzend in Unterhose in meiner Küche und nehme es gleich mit allen bösartigen Bataillonen des hinterlistigen Dreckimperiums gleichzeitig auf. Währenddessen unterstützt mich meine Spotify-Playlist mit epischer Schlachtmusik und bringt mein Blut in Wallung. Nach zwei Stunden Putzwut, begleitet von schrecklich schiefem Karaokegesang meinerseits, habe ich die Schlacht letztendlich gewonnen. Zusammen mit dem Königreich Küche konnte ich auch meine freien Gedanken wieder aus den Klauen des Alltags befreien. Ich hetzte halbnackt an den Schreibtisch und haue in die Tasten.
Endlich wieder Schreiben.
© Filipe Santos-Sousa 2024-05-11