by Eva Filice
Da stehe ich nun im Jahr 2025 und fühle mich 2400 Jahre zurück ins alte Griechenland versetzt. Mit Staunen lasse ich meine Blicke umherschweifen. Mit geschlossenen Augen stelle ich mir vor, an einer Aufführung in dem antiken Theater teilzunehmen. Ich sitze in einem der oberen Ränge des Theaters von Epidauros, das sich ideal in die Landschaft einfügt. Was empfanden die Menschen, die damals die Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides sowie die Komödien von Kratinos und Aristophanes erlebt hatten?
Vor mehr 2400 Jahren wurde dieses größte Theater der Antike errichtet. Ich bewunderte die Größe und den guten baulichen Zustand dieser Kultstätte, es ist das besterhaltene Theater dieser Zeit. Die hervorragende Akustik begeisterte mich und auch die anwesenden Besucher:innen. Von dem runden “Orchestra”, der zentralen Spielfläche vor dem Zuschauerraum, konnten die Schauspieler:innen ohne Mikrofon bis zu den obersten Rängen gut verstanden werden. Die Sprechprobe meines Mannes bewies es. Vom Bühnengebäude (Skené) sind heute nur die Fundamente erhalten. Der Zuschauerraum wurde in zwei Bauphasen errichtet. Gegen Ende des 4. Jhs. v. Chr. wurden 34 Sitzreihen aus grauem Kalkstein für 6000 Personen gestaltet. Zu erkennen sind die 13 Treppenaufgänge, die strahlenförmig die Zuschauer:innen bis in die letzten Reihen führten. In der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. wurde das Theater um weitere 21 Sitzreihen ergänzt, die in 22 Segmente unterteilt wurden. Somit wurde die Kapazität auf fast 14.000 Zuschauer:innen gesteigert. Unvorstellbar! Über zwei Zugänge konnten die Besucher:innen das Theater betreten.
In diesem Gebiet auf dem Peloponnes entstand das Heiligtum des Asklepios, er war der Sohn des Heilgottes der Antike. Er soll die Fähigkeit besessen haben, das Leben der Gläubigen durch Heilung zu verlängern. Somit entstand in Epidaurus ein Zentrum für diese Therapie. Auf der heiligen Straße erreichten die Pilger den heiligen Bezirk, in dem sich mehrere Tempel befanden. Den Besucher:innen stand ein Gästehaus mit Schlafsälen zur Verfügung. Griechische Bäder mit einem ausgeklügelten Wasserleitungssystem aus dem 4. Jh. v. Chr. befanden sich in einem Bau, der um einen Innenhof angeordnet war. Eine große Säulenhalle und ein Odeion, das für musikalische und schauspielerische Aufführungen und Wettbewerbe diente, wurden bei den Ausgrabungen im 19. und 20. Jh. freigelegt. Die Tempel für Aphrodite, Apollon, Asklepios, Artemis und Hygieia verdeutlichen dieses Areal als Kultstätte. Die Teilnahme an Theateraufführungen trug wesentlich zum Heilungsprozess bei. Nach der Christianisierung der Griechen wurde der Kult verboten und der spirituelle Kurort dem Verfall preisgegeben.
Diese hellenistische Kultstätte birgt eine besondere Aura in sich, die mich lange verweilen ließ. Die architektonische Schönheit dieses Weltkulturerbes in Verbindung mit der Natur zog mich in ihren Bann. Für mich war die Aura des antiken Epidauros spürbar, wo jeden Sommer Theaterstücke von griechischen Dichtern und Denkern im antiken Theater Aufführungen zu erleben sind. Wie gerne wäre ich Besucherin im Theater von Epidauros an einem warmen Sommerabend.
© Eva Filice 2025-06-10