by Tom Handrick
Keine Macht über die eigenen Entscheidungen zu haben, ist ein Gefühl großer Entmutigung. Ich habe kürzlich gelesen, dass ein solcher Zustand des Aufgebens, trotz der späteren Möglichkeit zur Flucht, erlernt werden kann. In einem Experiment von 1967 wurden Hunde mit Stromschlägen malträtiert - sie waren eingesperrt und ausgeliefert. Zunächst jaulten sie vor Angst, später nahmen sie es erschöpft hin und lagen reglos im Käfig. Selbst als am Ende die Käfigtüren geöffnet wurden, blieben die Hunde traurig unter den anhaltenden Stromschlägen liegen. Diese erlernte Hilflosigkeit machte sie stumm und regungslos, jeglicher Antrieb zur Flucht war verschwunden.
Dieses Phänomen beschreibt meine Kindheit, Jugend und mein Leben im Allgemeinem sehr gut. Ich war den Blicken, Worten und fliegenden Radiergummis ausgeliefert, die man in den Pausen und Unterrichtstunden auf mich warf. Später wurde ich bei Klausurenauswertungen regelmäßig abwertend als Streber beleidigt oder als schwul bezeichnet. Ich war in dieser Zeit ein zurückgezogener, stiller Mensch. Ich war mit meinen dünnen, langen Beinen unzufrieden, hasste mein Gesicht und meine Haare. Sozial war ich mit zwei anderen Außenseitern weitläufig befreundet, und zu Hause versteckte ich mich als Mittelkind in meinem Zimmer. Ich hoffte, in diversen Hobbys meine Persönlichkeit zu finden: Ich lernte nähen, zeichnen, Marionetten schnitzen, Möbel restaurieren, Fische und Garnelen züchten, einen Teich im Garten anlegen, angeln durch meinen Onkel und programmieren auf einem Raspberry Pi. Doch den Umgang mit Abneigung und Verachtung durch Fremde habe ich nie gelernt.
Zehn Jahre später habe ich durch das Leben und das Scheitern von Beziehungen einiges dazugelernt. Ich habe gelernt, dass nur ich mich mögen muss, um glücklich und standhaft im Leben zu sein. Dinge, die ich persönlich nicht ändern kann, musste ich lernen zu akzeptieren und damit Frieden zu schließen. Bei mir funktioniert das am besten durch Humor. Meine Bewältigungsstrategien sind Sarkasmus und Zynismus. Zudem lache ich am liebsten über mich selbst. Ich habe die letzten Jahre etwas zugenommen und einen kleinen Bauch bekommen. Dieser Schwimmring ist jedoch kein Verlust an Schönheit, sondern der Beweis, nicht mehr auf jede Kalorie zu achten und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Ich habe sogar ein liebevoll-lustiges Lied über meinen Bauch und Körper gedichtet. All die gesellschaftlich nicht als schön geltenden Körpermaße erscheinen drin als Ausdruck eines positiven Zufriedenseins. Im Laufe der Jahre habe ich Gleichgesinnte gefunden – beste und sehr gute Freunde. Menschen mit ihren ganz eigenen Geschichten und Wegen – hin zu einem selbstbestimmten Leben und einem heiteren Wesen.
Ich bin sehr dankbar für diese Personen und kann nur einen Rat geben: Wer mit Freunden über Liebe und Leid sprechen, denken und reflektieren kann, hat einen kleinen Ort in der Welt gefunden, den man „gesund perfekt“ nennen darf. Das ist selten und wertvoll – also haltet euch an Menschen, die denken können und wollen. Etwas Besseres kann euch in der Gesellschaft nicht passieren.
Widmung: In Liebe an meine alten und neuen Freunde.
© Tom Handrick 2025-07-08