Es war einmal eine Reise nach Rom, Teil 2

Sonja Runtsch-Dworzak

by Sonja Runtsch-Dworzak

Story

Nachdem wir in Kufstein umgestiegen waren und im Liegewagen unseren Platz gefunden hatten, machten wir es uns, so gut es ging, gemütlich. Kurz nach Mitternacht beschlossen wir uns zur Ruhe zu begeben, rollten die Rucksäcke als Polsterersatz unter den Kopf und versuchten neben dem anschwellenden Lärm betrunkener Fahrgäste zu schlafen. Als wir erwachten, waren unsere Arme und Beine schwer wie Blei. Es war, als ob ein Lastwagen über uns drüber gefahren wäre. Wir fühlten uns gerädert. Heftig klopfte es an der Türe des Abteils und zwei Carabinieri traten höflich grüßend ein. In der Hand hielten sie ein zerfledertes blaues Heftchen. Beim näheren Hinsehen erkannte ich es als mein Scheckheft. Ein heißer Schreck durchfuhr mich, ich angelte mir meinen Rucksack und kontrollierte ihn. Mir fiel nichts Besonderes auf. Hannes schaute mir zuerst erstaunt zu, bis er begriff, dass es vielleicht gut wäre, seine Sachen zu kontrollieren. Und siehe da, ihm fehlte sein gesamtes Geld sowie sein Reisepass. Das Scheckheft, das die Carabinieri mir reichten, war für die Diebe nutzlos, das Bargeld hatten sie sich geschnappt. Nichts davon bekamen wir mit. Wir wären nicht die Einzigen, die in der Nacht überfallen worden waren, ohne etwas zu bemerken, erklärten uns die Polizisten. In den Abteilen nebenan machten die Diebe reiche Beute. Die Erklärung für unsere Benommenheit war, dass die Räuber uns, während wir schliefen, etwas ins Gesicht gesprüht hatten, sodass sie uns unbemerkt bestehlen konnten. Helle Aufregung herrschte im Zug. In Rom angekommen, war unser erster Weg ins Hotel, dann waren wir auf der Suche nach einem Postamt, von wo ausländische Telefonate möglich waren, die wir mit einem sogenannten R-Gespräch führten. Ein R-Gespräch wurde vom angerufenen Teilnehmer bezahlt, meistens von den Eltern. Die Dame von der Vermittlung rief die gewünschte Nummer an und fragte, ob er oder sie das Telefonat annehmen und bezahlen. Bei Eltern kein Problem, sie wollten ja wissen, wie es ihren Kindern ging. Nach mehreren solchen R-Gesprächen fanden wir schließlich eine Möglichkeit, wie Hannes zu Geld kommen konnte. Wohlgemerkt, cashpoints gab es damals nicht. Also suchten wir eine international tätige Bank, der EU-Raum war für Österreich noch kein Thema. Schließlich fand mein Vater über seine beruflichen Kanäle ein Geldinstitut, zu der Zahlungen überwiesen werden konnten. Nach drei angespannten Tagen war für Hannes endlich der Geldhahn offen. Der gestohlene Reisepass war wieder eine andere Geschichte.

© Sonja Runtsch-Dworzak 2021-08-26

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