Ich fühle mich Jahre zurückversetzt, hochschwanger und mit den Wehen einsetzend. Doch dieses Mal lebe ich nicht mehr im geschäftigen Berlin, sondern auf dem ruhigen Land. Hier gibt es keine Entbindungsklinik um die Ecke, denn die kleinen Krankenhäuser haben ihre Entbindungsstationen geschlossen – vermutlich aus wirtschaftlichen Gründen. Insgesamt ist die medizinische Versorgung hier auf dem Land eine Katastrophe. Die jungen Mediziner zieht es in die Städte, und die Ärzte außerhalb werden älter, ohne Nachfolger für ihre Praxen zu finden.
Ich stehe vor einer schweren Entscheidung. Mit fast 45 Minuten Anfahrt zur nächsten Klinik ist es keine leichte Wahl. Soll ich schon losfahren oder noch abwarten? Eine Hausgeburt kam mir auch in den Sinn, aber bei Komplikationen wäre der Weg zum nächsten Krankenhaus zu weit.
Ich liebe die Natur, den Platz und die Ruhe auf dem Land, aber manchmal vermisse ich die Stadt mit ihrer besseren medizinischen Versorgung. Gerade jetzt wünschte ich, ich wäre wieder in Berlin.
Nun ja, wenn das Kind erst einmal da ist, wird es sich sicher über die frische Luft und das Landleben freuen. Es wächst dann nicht in einer überfüllten Stadt auf und darf in der Natur spielen, leben, atmen. Aber zunächst muss es gesund auf die Welt gebracht werden. Also packe ich meine Siebensachen und mache mich auf den Weg, in der Hoffnung, dass alles gut gehen wird. Es ist schon verrückt, wie die medizinische Versorgung auf dem Land in Deutschland langsam an andere Länder erinnert, in denen Not herrscht. Ich hoffe schon jetzt, dass ich einen Kinderarzt finde, denn mein jetziger wird die Praxis demnächst schließen.
Der Hund neben meinem Bett schnarcht. Ich bin wach, meine drei Töchter sind volljährig. Ich hatte das Glück, alle drei in Berlin zu entbinden. Damals bin ich sogar mit den “Öffis” zur Klinik gefahren. Hier unvorstellbar.
Meine älteste Tochter lebt auch hier in der Region. Sie war mutig und hat ihr erstes Kind zu Hause bekommen, und es war eine wunderbare Geburt. Nun erwartet sie ein weiteres Kind, und ich wünsche ihr sehr, dass auch diese Geburt trotz der ländlichen “Umstände” genauso unkompliziert und schön wird. Ich finde, wir sollten uns mehr um die Versorgung von Schwangeren, Gebärenden und Kindern, auch im ländlichen Raum, kümmern!
© Karin DrmedForschner 2024-03-06