F60.31 is more than an ICD-Code

Manchmal fühle ich mich, als wäre ich innerlich zerrissen. Es fühlt sich an, als würde ich von innen verbrennen. Kennst du das Gefühl von damals, weil du eine Prüfung in der Schule hattest? Dieses Gefühl, wenn sich Adrenalin mit Angst, Aufregung und Unsicherheit mischt. So fühle ich mich jeden Tag. Wir alle stehen ab und an vor wichtigen Entscheidungen, die wir treffen müssen und wir wissen nicht, welche die Richtige ist. So fühle ich mich auch jeden Tag. Traurigkeit, Wut, Hass, Liebe, Erregung, Schmerz und so viele weitere Gefühle und Zustände. Das alles fühle ich in einer unmenschlichen Intensität – jeden Tag. Manchmal abwechselnd, manchmal auch zeitgleich. Das ist nicht normal und das weiß ich. Für mich ist es jedoch ein normaler Alltag. Stell dir vor, du würdest Hass, Liebe, Trauer, Wut, Euphorie und Schmerz zeitgleich empfinden. Ich bin massiv überfordert.

Das, was ich beschrieben habe, ist meine Wahrnehmung der “Borderline”-Persönlichkeitsstörung. Obwohl ich bereits siebenundzwanzig Jahre mit dieser Erkrankung lebe, habe ich erst dieses Jahr einen Namen dafür bekommen. Doch dieses Buch ist kein simpler Tagebucheintrag und auch keine wissenschaftliche Ausarbeitung. Ich möchte einfach und ehrlich meine Perspektive beschreiben und meine Wahrnehmung mit euch teilen. BPD ist eine sehr stark stigmatisierte Erkrankung, deren Betroffene oft von Diskriminierung im Gesundheitssystem betroffen sind. Ich möchte zeigen, dass wir keine manipulativen Monster sind, sondern auch gute Menschen sein können. Versteht dieses Buch bitte nicht als Bildungsauftrag. Es soll keine Erkrankung verharmlosen. Ich will nicht, dass jemand denkt: “Oh, BPD ist ja gar nicht so schlimm.” Doch. Ist es. Ich will auch nicht, dass sich jemand denkt: “Menschen mit BPD sind ja total harmlos.” Ich habe keine Befähigung dazu, zu beurteilen, wer harmlos ist und wer nicht. Ich spreche in diesem Buch für mich und nur für mich. BPD ist als Spektrum wahrzunehmen und von der Intensität meiner Erkrankung ist es unmöglich auf die Intensität anderer erkrankten Menschen zu schließen. Ich möchte von meinen Erfahrungen, meiner Wahrnehmung und meiner Geschichte erzählen. Im besten Fall schaffe ich es, dass ihr neue Perspektiven gewinnt und wenn nicht, dann ist das auch okay. Ich spreche in diesem Buch nur für mich, denn kein Mensch gleicht dem Anderen, auch nicht, wenn zwei Menschen dieselbe Erkrankung haben. Dieses Buch verallgemeinert niemanden. Dieses Buch zeigt meine Geschichte, nicht die von anderen Menschen mit BPD.

Ich möchte auch zeigen, dass BPD mehr als nur ein ICD-Code ist. Sehr viel mehr. Es ist eine Erkrankung, die so viele andere Symptome von anderen Erkrankungen vereint. Ich möchte euch zeigen, dass das Leben mit BPD nicht immer einfach ist, aber auch faszinierende Seiten haben kann.

Deswegen: Ich würde euch gerne etwas über mein Leben mit der Erkrankung erzählen. Ich weiß, dass viele Menschen ein sehr negatives Bild von der Erkrankung haben, was ich auch hatte und teils immer noch habe. Wir alle lernen und lesen aus unseren Erfahrungen. Das ist okay. But hear me out: