Fahrrad in der S-Bahn

Tamara Grgic

by Tamara Grgic

Story

Schlagartig wurde ich wach. Mist!, ich wusste, dass mein Wecker schon vor Ewigkeiten geklingelt hatte. Ich hatte ihn lediglich ignoriert. Pläne vom Kaffeetrinken und Frühstücken konnte ich streichen. Ich konnte höchstens einen Kaffee mitnehmen. Wenn ich also 45 Minuten länger geschlafen habe als ich hätte schlafen dürfen, dann heißt es.. Ich schaute erneut auf meine Uhr. Wo “05:00” hätte stehen sollen, steht nun, ganz stolz, “05:46”. ..verdammt nochmal, dann heißt es, dass ich in 14 Minuten los muss! Mein Blutdruck stieg an, es war wieder so ein Tag an dem ich durch meine Wohnung rennen musste. Doch wohin zuerst?

Irgendwie verflogen die 14 Minuten und ich stand nun, halb sauber, halb hungrig aber voll und ganz auf den langen Tag unvorbereitet vor meiner Haustür. Ach.. fiel mir das Beste an dem heutigen Tag wieder ein. ..ich muss ja mit dem Fahrrad zur Arbeit.

Schweißgebadet sah ich den S-Bahnhof und ließ mich durch meine fürchterlich quietschenden Bremsen verlangsamen. Ein Blick auf den digitalen Fahrplan brachte mich dazu, noch mehr zu schwitzen. Die Anzeige meiner S-Bahn blinkte und ich hörte schon die Durchsage. Ich ergriff mein Fahrrad mit beiden Armen, so das die um mich herum laufenden Menschen Angst haben konnten, ich würde mir die Arme verstauchen, und rannte die Treppen nach oben. Dann fiel es mir wieder ein…

Jetzt bin ich das Sternchen, das ein Fahrrad in die S-Bahn reinrollen lässt. Ist das peinlich. Hätte ich beim Einsteigen nicht meine Kopfhörer auf voller Lautstärke gehabt, hätte ich sicherlich einfach eine Menge Seufzer gehört. “Entschuldigung.” sagte ich, als ich in der Eile meinen Fahrradreifen in die Wade der genervten Frau rammte. Wie bitte ich nun die Mutter der Drillinge, ihren mitten im Weg gelassenen Kinderwagen nur wenige Zentimeter zu bewegen, damit ich auch einen Platz für mein Fahrrad finde? Zum Diskutieren und beschweren wohl zu müde, entschied sie sich einfach dazu den Kinderwagen zu bewegen. Ich schaffte es mich hinzusetzen. Gerade wollte ich meinen Rucksack absetzen, schon kam das nächste Problem auf mich zu: ein um 06:26 morgens biertrinkender Mann. “Ientscholdijong junged Madamchen…” fing er an zu sprechen und ich war schon wieder auf den Beinen. Sieben Haltestellen weiter, da war es schon 06:44, stieg der Herr aus und hinterließ eine leichte alkoholische Brise hinter sich. Ich konnte endlich meinen Kaffee trinken, den ich mir zusammengebraut habe. Fahrrad abgestellt, Rucksack am Nebensitz doch… jetzt wurde wieder einer laut. “Ich habe hier einen Rollstuhlfahrer!” schrie die über 50-jährige Frau durch die Waggons. Wieder aufgestanden beobachtete ich nun weder meine Umgebung noch die Menschen darin. Irgendwann bemerkte ich, wie leer die Bahn mittlerweile war. Ich zögerte keine Sekunde und rannte zu meinem Lieblingsplatz. Endlich ist es so weit! Dachte ich mir, nur wenige Sekunden bevor die grässliche S-Bahn-Stimme meine Haltestelle aufrief.

© Tamara Grgic 2023-08-27

Genres
Humor & Satire
Moods
Funny