Fitzi Glitzi, mein erstes!

Hedwig Kromer

by Hedwig Kromer

Story
Oberwart

Mein allererstes. Mein allerallererstes Acrylbild, sogar mit funkelnden Plastikblüten und -steinchen. Sooo hübsch. So grässlich hässlich. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich je in meinem Leben ein solches Bild erschaffe. Zu groß ist mein Hang zu Naturmaterialien. Echte Glitzersteinchen habe nicht in größerer Menge zur Verfügung, genau genommen nur eines. Allenfalls könnte ich fleißig den Traubensaft unseres Nachbarn (er ist Winzer) trinken, manche Flaschen enthalten eine kleine Menge Weinstein. Wenn ich den abseihen, spülen und trocknen würde, hätte ich Glitzerkristalle in verschiedenen Farbtönen. Obwohl längst nicht alle glitzern, manche sind stumpf. Von zartem Gelb über tiefes Dunkelrot, fast schon Violett, reicht die Farbpalette.

Im weinviertlerischen Ottenthal, nahe der tschechischen Grenze, lebt ein Künstler, der Weinstein aus alten Fässern herausklopft und sammelt, das ist für seinen Bedarf ergiebiger. Es entstehen daraus seine Weinsteinbilder. Vom Wappen über Blumen, von kesser Puppe bis zur Widmung für den Blunzenkönig ist alles vertreten. Durch welches Naturmaterial sich Acrylfarbe ersetzen ließe, weiß ich nicht, es ist eine mir fremde Welt.

2018 hatte ich das Vergnügen an der Perspektivenwerkstätte des AMS teilzunehmen. Nette Sache, aber was ich dringender gebraucht hätte, wäre ein Verkaufstraining gewesen. Immerhin ist Fitzi Glitzi ein Ergebnis des Kurses. Für zwei Vormittage war Malen anberaumt gewesen. Einige haben darüber gematschkert, ich auch ein wenig. Ich kann nicht zeichnen, nicht einmal eine gerade Linie bringe ich zuwege. Zuerst hatten wir uns noch an Zeichenpapier erprobt, dann durften wir ein bis zwei Stück 40 x 30 cm große Stück Leinwand bemalen. Jedes Bild hatte seinen eigenen Charakter, so wie die Schaffenden auch. Ein Bild war von Weiß und mädchenhaftem Rosa geprägt. Ein anderes zeigte eine sehr einsame Flußlandschaft. Das nächste sprüht lebensfroh voll bunter Farben.

Vor ewigen Zeiten habe ich mit viel Ausdauer gestickt. Sogar mein Hochzeitskleid ist am Saum mit Maiglöckchensträußchen verziert. Wenn ich vor meinem Ackerblumenbild in Plattstich mit Klatschmohn-, Kornblumen- und Karottenblütenständen verweile, kann ich den heißen Sommertag spüren. Ich brauche mich gar nicht ins Auto zu setzen und fortzufahren. Es ist ein ressourcen- und börslschonender Minutenurlaub. Auch mein selbst geknüpfter fliegender Teppich ermöglicht mir Reisen aller Art.

Jetzt stehe ich vor Fitzi Glitzi. Fitzi kommt von Fitzeln. Die einzelnen Blütchen und Steinchen aufzukleben war Geduldsarbeit. Bei richtigem Lichteinfall glitzern sie, daher Glitzi. Wozu soll ich mich entschließen: hübsch oder hässlich? Jede einzelne Linie ist wackelig. Aber meine Schwester hat entdeckt, dass das Bild ein Herz zeigt, das sich ausweitet. Unverhofft denke ich mir, da wäre doch der linke Teil des Ohmzeichens zu sehen. Also gut: Fitzi Glitzi ist hübsch, denn es ist meins.



© Hedwig Kromer 2025-05-08

Genres
Novels & Stories
Moods
Hoffnungsvoll, Informativ
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