flucht

Cristina Fister

by Cristina Fister

Story

Sirenen ertönen in der Ferne, in Mona steigt ein unruhiges Gefühl auf. Sie lebt nun seit etwa zwei Wochen auf der Lichtung, nicht einen einzigen Gedanken hat sie an ihr altes Zuhause verschwendet.


Blitz und Donner mischen sich mit dem Ton der Sirene, alles ist so laut. Wieder fängt Monas Kopf an zu brummen, ihr Kopf ist wie ein wirres Wollknäuel, sie kann kaum einen Gedanken fassen. Alle Tiere auf der Lichtung schreien sie an. 


„Lauf, Mona, lauf, versteck dich und pass auf dich auf! Die Polizei, sie will dich holen kommen, wir lassen das nicht zu, sonst haben sie gewonnen.“ 


Ohne noch einen weiteren Moment zu zögern, tut Mona genau das – davonlaufen. Als würde sie fliegen, zischt sie durch den Wald. Zwischen Bäume hindurch, über Stöcke und Steine, sie merkt nicht, wie der Regen auf sie herabprasselt.  


Monas Stimmen im Kopf sind noch schneller als sie, sie kann sie nicht einholen. Sie kneift die Augen zusammen, in der Hoffnung, dem wirren Geschrei für einen Augenblick ausweichen zu können. 


Plötzlich liegt sie auf dem Boden. Ihre Knie sind aufgeschürft, sie liegt in der nassen Erde. Mona bekommt kaum noch Luft, sie fühlt sich, als müsste sie sich übergeben. Sie richtet sich auf, die Tränen nehmen ihr die Sicht. Sie greift wild um sich und tastet hektisch den Boden ab – nichts außer Dreck.  


Da reißt sie die Augen auf. 


„Henri“, flüstert sie panisch. „Ich habe Henri vergessen.“

© Cristina Fister 2024-08-31

Genres
Novels & Stories