Im ersten Coronawinter lud mich mein Freund Jürgen zu einem Abendessen ein. Illegalerweise kam noch ein weiterer Gefährder hinzu und wir genossen die kleine Party bei feinem nachhaltigem Essen aus Produkten von regionalen Biobauern und biodynamischen Wagramer Weinen. Die Stimmung war fröhlich, ausgelassen und weinselig. Wir philosophierten über Dies und Das und wie es sich für wohlstandsverwöhnte Mittelstandsbürger geziemt, kam das Thema Nahrungsmittel nicht zu kurz. Geht es vielen Teilen der Welt noch immer darum, genug davon zu haben, hat sich in den mittleren und oberen Klassen, zumindest der westlichen Welt, die Diskussion bei einem Großteil der Bevölkerung auf das Was wird gegessen? verlagert. Das neue Statussymbol ist der mit möglichst wenig oder gar keinem Biofleisch oder -fisch, aber dafür mit unzähligen Superfoods und Biogemüsesorten ernährte auf Sport getrimmte und mit Mikronährstoffen sublimierte und vor allem schlanke Körper. Da helfen auch keine Diversity-Werbespots. War es in meiner Eltern- oder zumindest Großelterngeneration noch ein Wohlstandszeichen Fleisch auf dem Teller und den Rippen zu haben so ist es in unserer Zeit der Selbstoptimierung eher ein Zeichen der Schwäche. Aber vor allem ein Zeichen geringen Einkommens, denn Fastfood und Massentierhaltungsfleisch sind bedeutend günstiger als nachhaltig-vegetarisch hergestellte Nahrungsmittel. Jedenfalls erzählte ich über die hervorragenden Produkte meines Gemüse- und Obsthändlers und dass ich gerade eine sensationell schmackhafte Flugananas gekauft sowie verzerrt hatte. Worauf meines Freundes Freund mir einen Vortrag über regionale und saisonale Küche im Begriff zu halten begonnen hatte. Er würde seinen Speisezettel je nach Jahreszeit und Verfügbarkeit vor Ort zusammenstellen. Das sei ihm aus Nachhaltigkeitsgründen wichtig. Zuvor, das muss man wissen, hatten die Beiden über ihren coronabdingt leider nicht zustande gekommenen Heliskiing Urlaub in Kanada gesprochen und sich geschworen diesen nächstes Jahr nachzuholen, was mittlerweile auch in die Tat umgesetzt wurde. Darauf hingewiesen, dass wir gerne über die CO2-Bilanz eines Heliskiingurlaubs versus Flugananas diskutieren können, wandten wir uns unaufgeregt anderen Themen zu. Warum fällt mir das wieder ein? Vor kurzem las ich einen Artikel, dass sich die Linke PoC/Migrantifa an den Bezeichnungen Pizza Hawaii und Toast Hawaii stößt. Denn damit sei die Geschichte des Kolonialismus und der kulturellen Aneignung verbunden. Ich würde gerne eine Umfrage in Hawaii starten wieviel Hawaiianer ein Problem damit haben? Vielleicht würden sie einfach auch nur sagen, dass es ihnen wurscht ist und sie mittlerweile ganz andere Probleme haben. Außerdem sollten wir uns vordergründig die Frage stellen, ob wir in Europa mit dem Flugzeug gelieferte Früchte benötigen und erst später, wie wir die damit zubereiteten Gerichte politisch korrekt bezeichnen.
© Max@Mustermann 2022-10-24