Oh die Liebe

Ida Manko

by Ida Manko

Story

Flughafenparallelwelt

Als ich gesehen habe, dass mein Flug sich nicht nur eine halbe Stunde verspäten würde, sondern mehr als zwei volle Stunden, habe ich mein Handy zur Seite gelegt, meine Tasche unter meine Beine geschoben und es mir auf dem Boden gemütlich gemacht. Ja, seltsam, oder? Eine Flugverspätung ärgert einen weniger als andere Verspätungen. Es macht einem nichts aus, keinen komfortablen Sitzplatz zu finden und seine Taschen acht Stunden durch die Gegend zu schleppen, wenn man doch dafür an das Ziel seiner Träume kommt. Buxtehude, oder eben in die Karibik, jeder nach seinem Geschmack.

Als ich mich nach links gedreht habe, platzte mir fast das Ohr, weil eine Frau lautstark telefonierte. Ich verstand nicht, worum es geht. Ich spreche zwar Spanisch, aber nicht, wenn das Gesagte wie eine chemische Reaktion in sekundenschnelle die Form verändert und unaufhaltsam wirkt. Sie schien allerdings ernste Dinge zu besprechen, ihrem Gesichtsausdruck nach könnte sie mit einer Freundin über eine andere Freundin gesprochen haben, vielleicht auch über ihre Mutter. Ich starrte also weiter in der Gegend herum und neben mir tauchte eine Jugendsportmannschaft auf. Ich schätze, die Jungs müssten um die fünfzehn oder sechzehn pubertierende Jahre gehabt haben. Einer von ihnen hat seinen ganzen Mut zusammen genommen, um eine mir gegenüber sitzende hübsche junge Frau anzusprechen für eine Fotowette. Wenn sie mit ihm ein Bild machen würde, wäre sein Tag ein Stück besser gewesen. Ich schaute also zu und hoffte, sie würde zustimmen. Das tat sie tatsächlich auch. Wahrscheinlich konnte nur ich in diesem Moment bemerken, dass es ihr unangenehm war für das Bild zu lachen, da sie eine Zahnspange trug. Ich musterte sie nicht weiter, aber ich hoffte sie würde sich dafür nie mehr schämen. In einer Ecke des Flughafens, fast unbemerkt, sah ich dann ein Pärchen sitzen. Einer der beiden saß und hatte ein Buch in der Hand und sein Freund lag ihm im Schoß und laß etwas am Handy. Als ich zu ihnen schaute, kicherten sie gerade, weil der sitzende Partner dem anderen etwas im Buch zeigte und es ihm spasseshalber vor die Nase gehalten hat. Wie sie so rumblödelten und lachten, fühlte ich eine Warmherzigkeit wie schon lange nicht mehr. Sie waren in ihrer eigenen kleinen Welt und schafften es ungewollt, ihr Gefühl an jemand Fremdes wie mich zu vermitteln. Ich war in diesem Moment glücklich, ich vergaß, wo ich saß und was ich tat. Es fühlte sich fast an wie ein gutes Buch, als ich das Handy weggelegt habe und mir meine Umgebung angesehen habe.

© Ida Manko 2022-05-16

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