Frag doch einfach!

Carbo

by Carbo

Story

VorstellungsgesprĂ€ch mit dem Abteilungsleiter. Ich erkenne Desinteresse, wenn es durch die TĂŒre tritt und nehme schon lange nichts mehr persönlich. Von mir zu erzĂ€hlen ist eine Aufgabe wie einen vierzeiligen Kinderreim aufzusagen. Es geht im Schlaf von der Hand und mein GegenĂŒber ist irritiert als es nach zehn Minuten am Wort ist. Er erzĂ€hlt, was bereits in der Stellenausschreibung stand und setzt dann zusammenhangslos an: “Sie sind verheiratet?”

Ich nicke so als wĂŒrde ich nicht verstehen. Mir ist schon klar, worauf er hinaus will. Er will nicht fragen und denkt, ich sei blöd genug, es ihm ungefragt zu sagen. Dazu bringt mich selten jemand. Wenn mir die Ablehnung nicht schon wellenhoch entgegenschlĂ€gt, neige ich ein wenig zur Unvernunft, aber heute trage ich meine imaginĂ€re RĂŒstung und das Visier quietscht immer so, wenn ich es hochklappe, also lass ich es gleich.

Er erzĂ€hlt von Dienstreisen und beobachtet meinen Gesichtsausdruck. Ich hasse Dienstreisen und setze einen möglichst neutralen Blick auf. Als wĂŒrde es irgendjemanden allein im KostĂŒm und unbequem hohen Schuhen in die Ferne ziehen, um den Flughafen und das BĂŒro in einer fremden Stadt kennenzulernen. Aber wenn es zum Job gehört, dann ist es eben so. Mittlerweile wĂŒrde ich auch ins Kriegsgebiet reisen, wenn jemandem damit geholfen wĂ€re. Und er setzt wieder an. Wenig originell mit derselben Strategie. “Sie sind also verheiratet.”

WĂŒsste man nicht, was er eigentlich wissen will, könnte man glauben, er habe ein Problem mit der Festplatte . Ich lĂ€chle, als sei es völlig normal die selbe Frage mehrmals zu beantworten. Eigentlich sollte ich ihm die Telefonnummer meines Mannes geben, wenn er ihn so dringend kennenlernen will, aber ich warte, ob er doch noch Anlauf nimmt und in einem VieraugengesprĂ€ch endlich auf den Tisch legt, was er nie in ein Mail geschrieben hĂ€tte. Deshalb bin ich hier. Er beginnt eine Verabschiedung und ich entspanne mich einen Tick zu offensichtlich.

Und dann gibt er sich einen Ruck. “Sie haben also keine Kinder. In Ordnung.”

“Doch.”

Er wechselt die Farbe. “Wie bitte?”

“Doch.” Ich spĂŒre wie jegliche Chancen vaporisieren und werde bockig. Nicht die Arme verschrĂ€nken. Lass es.

“Sie haben Kinder?”

“Mhm.”

“Wie viele?”

“Drei.”

Ich sehe die Wut in ihm hochsteigen und er scheint nicht sehr bemĂŒht, sie zu verbergen.

“Das steht nicht in ihrem Lebenslauf”, schreit er schließlich ĂŒber die Coronadistanz hinweg. Ich sehe seine Spucketröpfchen zwischen uns zu Boden gehen.

“Nein, eh nicht. Ich bewerbe mich ja nicht als Mutter.”

Er schweigt. Der Abschied ist kurz. Keine Überraschungen. Kein Wiedersehen. Untröstlich verlasse ich den GebĂ€udekomplex. Zuhause trage ich betreten meinen Goldfisch in meinen Lebenslauf ein. Der stand auch nicht drinnen, ist mir bei der Gelegenheit aufgefallen.

Fotocredit: Ahmed Zayan on unsplash.

© Carbo 2021-11-29

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